Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
Krieg auf die Stärke und Klugheit des höchst ehrenwerten Shinmen und verließen sich auf die Großzügigkeit des höchst ehrenwerten Nakata. Dunkle Zeiten ziehen herauf. Einigkeit ist gefragt.
Verstehen wir es recht, dass der Nakata-Clan aus Gründen der Ehre keine andere Form der Entschädigung akzeptieren wird als den Tod?», fragte Ukita, und Nakata nickte nachdrücklich.
«Der höchst ehrenwerte Munisai Shinmen schuldet diesem Clan bereits eine erkleckliche Summe. Weitere Schulden anzuhäufen wäre kaum zweckmäßig», erklärte Nakata. «Und sonst könnte nichts angeboten werden, das auch nur einen Tropfen Blut der Nakata ersetzen würde.»
«Also gut. Es ist uns bekannt, dass sich der höchst ehrenwerte Munisai Shinmen der Forderung nach dem Tode widersetzt. Die Auffassung des Fürsten Shinmen aber, der Munisai Shinmen zu seinen Vasallen zählt, wurde noch nicht gehört.» Ukita wandte sich an den Angesprochenen.
Munisai bemerkte, dass Nakata seinen Herrn nun geradezu erwartungsvoll ansah.
«Es ist diesem Clan nicht möglich, Unparteilichkeit walten zu lassen», sagte Shinmen. «Daher entzieht er sich der Beratung. Eine freundschaftliche Einigung ohne Blutvergießen ist wünschenswert, aber dieser Clan wird sich jeder Entscheidung beugen, die der höchst ehrenwerte Fürst Ukita zu treffen geruht.»
«So sei es», sagte Ukita.
Munisai hatte nicht erwartet, dass sein Herr für ihn eintreten würde, und hätte es auch gar nicht gewollt. Wie schon einmal fünf Jahre zuvor hatte Shinmen ihm eine Chance gegeben. Dass er seinen Rang nutzte, die Sache vor Ukita zu bringen, war schon mehr als genug. Nach wie vor sah Nakata Shinmen mit beschwörenden Blicken an. Vielleicht hatten sie eine geheime Abmachung getroffen, die Shinmen nun plötzlich brach.
Doch die Hoffnung, die in Munisais Herz herangewachsen war, fiel in sich zusammen, als er den Blick auf Ukita richtete und bei ihm nur noch leidenschaftslose Berechnung gewahrte, die fähige Schwertkämpfer abwog gegen den Wert des Goldes. Der Mann hatte schon zahllose Samurai. Wie aber wollte er sie alle ernähren, sie alle bewaffnen?
«Bennosuke Shinmen ist noch ein Kind», sagte Munisai, ehe er sichs versah. «Der Ukita-Clan sei ersucht, die Fehler, die man in der Kindheit begeht, zu bedenken, bevor er sein Urteil fällt.»
«Kinder schwingen keine Langschwerter», entgegnete Nakata, und Ukita nickte.
«Er ist noch ein Kind», sagte Munisai noch einmal, und ihm schnürte es die Kehle zu.
«Dessen ungeachtet …», sagte Ukita, und Munisai wusste, dass Bennosuke dem Untergang geweiht war, ehe dem Fürsten weitere Worte über die Lippen kamen. «Hiermit verfügen wir, so bedauerlich es auch ist: Für die Verstümmelung des Sohnes des höchst ehrenwerten Fürsten Nakata wird Bennosuke Shinmen befohlen, baldmöglichst Seppuku zu verüben.»
Nun war Hayatos Gesicht zum ersten Mal etwas anderes anzusehen als jener Ausdruck von Teilnahmslosigkeit und Erschöpfung, den er bis dahin zur Schau getragen hatte. Eine grimmige Fröhlichkeit machte sich darauf breit. Auch Fürst Nakatas zusammengekniffene Äuglein funkelten. Fürst Shinmen blickte immer noch zu Boden, während Ukita das Gold an den Wänden betrachtete.
Ukitas Gemahlin aber sah mit ihren braunen Augen zu Munisai hinüber. Plötzlich war ihm, als wäre er nicht mehr fern der Heimat in der Burg von Okayama, sondern wieder in seinem Bett in Miyamoto, damals in jener Nacht, als er Yoshiko das erste Mal betrogen und neben ihr gelegen hatte, während sie schluchzte.
Er seufzte traurig. Also gut. Im Grunde seines Herzens hatte er die ganze Zeit gewusst, dass es dazu kommen würde, sosehr er sich auf der Reise auch eingeredet hatte, Ukita werde den Jungen eventuell begnadigen. Er dachte an Dorinbos Worte an dem Abend zurück, nachdem Bennosuke Arima getötet hatte, an den Vorwurf des Mönchs, er habe nur Tod und Mord im Sinn. Sein Bruder hatte recht gehabt: Das war das Einzige, was er kannte. Und auch nun wieder würde der Tod walten. Sein letztes Mittel war im Grunde die einzige Option gewesen, seit der Junge barfuß und blutbeschmiert nach Miyamoto zurückgekehrt war.
«Warum?», fragte Yoshiko mit Tränen in den Augen.
«Weil ich es kann», sagte Munisai, der vor ihr stand.
Munisai neigte resigniert das Haupt, griff langsam mit der gesunden Rechten nach dem Kurzschwert, das wie stets an seiner Seite war, und zog es aus der Scheide. Die Klinge schimmerte wie das Blattgold an den Wänden. Er hielt sie
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