Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Dinger sind schrecklich teuer, also hatten wir einen hinter die Mauer geschleppt, die den Garten vom Pool trennt. Das Hotelpersonal kommt nie dorthin und dem Gärtner ist es egal. Außerdem hat man dort viel mehr Privatsphäre als am Pool.«
Perez nickt verstehend.
»Gut, wir bekamen also Durst und Val ging zur Bar, um Getränke zu holen. Sie kam mit einem Geldbeutel zurück und sagte, eine Frau hätte ihn dort liegen lassen. Ob ich ihn ihr vielleicht schnell bringen würde. Schließlich hatte Val schon die Getränke geholt.«
»Woher wusstest du ihre Zimmernummer?«, fragt Perez.
»Die Frau hatte ihre Getränke auf Zimmernummer 27 setzen lassen«, antworte ich. »Das hatte Val gehört. Sie sah den Geldbeutel erst liegen, als die Frau schon weglief. Val wollte ihr zwar nachlaufen, aber sie war gerade an der Reihe und wollte bestellen… Nun ja, schließlich bin ich also losgezogen, um den Geldbeutel zurückzubringen.«
»Ich würde dir gern glauben«, sagt Perez. »Es gibt da allerdings ein Problem. Oder besser: zwei. Valerie kann sich an keinen liegen gebliebenen Geldbeutel erinnern. Genauso wenig wie der Barmann.«
10
Zeit: Drei Wochen und einen Tag früher
Ort: Bahnhof von Serona – Spanien
Das ist Fin«, sagte Val zu ihrem Bruder. »Er reist mit uns weiter.«
Stefano nickte zu meiner Landkarte hinüber. »Schwebt dir was Bestimmtes vor?«
»Nicht wirklich.« Es war mir nicht mehr wichtig, wo wir hingingen. In Valeries Nähe wäre wahrscheinlich noch das langweiligste Dorf aufregend.
»Wir gehen nach Racotta.« Er gab Val den roten Rucksack. An seiner Seite baumelte ein Plüschpferdchen mit der winzigen Aufschrift ISLA CABALLO auf dem kleinen Sattel.
»Sollen wir dann mal?«, fragte sie.
»Eben noch meine Karte…« Ich versuchte, sie zu falten, aber das klappte nicht so schnell auf die richtige Weise.
»In zwei Minuten fährt der Zug«, drängte Stefano.
»Geh du ruhig schon mal.« Val zwinkerte ihm zu und gab ihm einen Schubs. »Gleis drei, oder? Wir kommen sofort!«
Eine Minute später hatte ich die Landkarte endlich kleinbekommen und im Rucksack verstaut.
»Rennen«, sagte Val mit einem Blick auf die Uhr über der Bar.
Wir rannten los. Zum Glück wusste Val genau, wo Gleis drei war, sodass wir keine Zeit mit Suchen verloren. Der Bahnhofsvorsteher wollte gerade das Abfahrtssignal geben.
Stefano hing aus dem offenen Fenster und winkte mit beiden Armen. »Val! Aquí!«
Der Bahnhofsvorsteher war uns wohlgesinnt und wartete mit dem Abpfiff. Ausgelassen sprangen wir aufs Trittbrett und verschwanden im Zug. Die Türen schlugen unmittelbar hinter mir zu. Auf dem Bahnsteig gellte ein Pfiff und sofort danach setzten sich die Räder rumpelnd in Bewegung. Val fiel fast um, musste lachen und suchte Halt an einem Pfosten.
»Mist, ich habe keine Fahrkarte gekauft«, sagte ich.
Da musste sie noch viel lauter lachen. »Wenn ein Schaffner kommt, versteckst du dich einfach auf der Toilette.«
Sie hielt mich natürlich für ein Weichei, zu Recht. Trotzdem konnte ich es nicht lassen, schon mal nach Schildern mit der Aufschrift SERVICIOS Ausschau zu halten. Man konnte ja nie wissen.
Die Zwischentür knallte auf.
»Ihr seid vielleicht Schnecken!«, rief Stefano. »Was habt ihr denn so lange gemacht?«
Val knuffte ihn, bevor sie sich an ihm vorbei in ein Abteil der zweiten Klasse zwängte. Ich ging ihr nach und übernahm die Tür von Stefano. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich ein Schild. Die Toiletten waren ein Stückchen weiter hinten.
Val warf ihren Rucksack neben den ihres Bruders, setzte sich auf die Bank gegenüber ans Fenster, streifte die Cowboystiefel ab und legte ihre nackten Füße auf Stefanos Tasche. Ich bekam keine Chance, mich neben sie zu setzen. Stefano war schneller.
Einen Augenblick war ich ziemlich stinkig. Dann beschloss ich, mir die gute Laune nicht durch so etwas Stumpfsinniges verderben zu lassen. Meine Zeit würde noch kommen.
Ich setzte mich auf die andere Seite des Gangs, meinen Rucksack neben mir. Wie von selbst wurde mein Blick von Vals Beinen angezogen. Sie trug ein Fußkettchen aus Silber und um ihren kleinen rechten Zeh einen silbernen Ring.
Normalerweise gehören Zehen zu den Körperteilen, die ich am wenigsten mag. Oft sind sie dick und krumm oder im Gegenteil zu lang und sie können gewaltig müffeln. Aber Vals rochen neutral und sie sahen auch genau richtig aus. Sie könnte geradewegs ein Zehenmodel werden. Ja, die gibt’s wirklich – für Nagellack oder
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