Room 27 - Zur falschen Zeit am falschen Ort
Fußcreme-Werbung und so, das weiß ich von Martijn.
»Sind sie o. k.?«, fragte Val.
Hatte ich wohl doch ein bisschen zu auffällig hingestarrt. Schnell schaute ich vor mich. »Geht so.«
»Reiz ihn nicht so«, sagte Stefano.
Danach wusste ich gar nicht mehr, wo ich hinschauen sollte, also starrte ich eben allerlei uninteressante Dinge an wie den kleinen Tisch, auf den man Kaffee stellen kann, und den Abfalleimer darunter. »He, da liegt was drin.«
Stefano gähnte. »Tja, dafür sind die Dinger gemacht.«
Ich beugte mich vor. Genau wie ich dachte: Es war eindeutig ein Geldbeutel. War er jemandem aus der Tasche gerutscht und aus Versehen in diesem Abfalleimer gelandet? Ich hielt meinen Daumen und Zeigefinger bereit, um ihn herauszufischen.
»Muss das sein, Mann?«, sagte Stefano. »Du bist doch kein Penner.«
Ich hatte nicht gerade das Gefühl, dass er mich mochte. Aber vielleicht irrte ich mich ja und das war nur ein normales Verhalten für einen Jungen, der seine Schwester vor einem in Mülleimern wühlenden Idioten schützen wollte.
»Das würde einem Penner bestimmt gefallen.« Ich legte den Geldbeutel auf den Tisch. An dem schwarzen Leder klebte eine Apfelschale. Ich wischte sie mit dem kleinen Finger ab.
Vals Interesse war geweckt. »Du kriegst die Motten!« Sie stand auf, kletterte über Stefanos Beine und setzte sich mir gegenüber.
Ich löste den Verschluss und klappte den Geldbeutel auf. Darin steckten eine Zugfahrkarte, eine Scheckkarte und eine Visitenkarte mit Namen und Adresse.
»Geklaut«, stellte Val fest. »Der Dieb hat das Geld rausgenommen und den Geldbeutel anschließend entsorgt.«
»Wir müssen ihn jemandem vom Bahnpersonal geben«, sagte ich. »Dieser…« Ich las den Namen auf der Visitenkarte. ».…eñor Reyes möchte seine Sachen bestimmt gern wiederhaben.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.« Stefano nickte zur Tür hinten im Abteil. »Da kommt gerade ein Schaffner.«
Und ich hatte keine Fahrkarte!
Val konnte offensichtlich meine Gedanken lesen. »Hier.« Sie zog die Fahrkarte aus dem Geldbeutel von Señor Reyes.
»Aber…« Wenn ich die Karte benutzte, war ich auch eine Art Dieb.
»Der Eigentümer hat sowieso nichts mehr davon«, sagte Val nüchtern. Das war eindeutig ein Argument. Außerdem hatte mich das Schwarzfahren, na, sagen wir, überkommen. Und auf eine Geldstrafe hatte ich auch keine große Lust.
Ich ließ den Geldbeutel unter meinem Rucksack verschwinden.
Val machte ein ziemlich zufriedenes Gesicht und setzte sich wieder zu Stefano. Der Schaffner kam rein und kontrollierte mein Ticket und die von Val und Stefano. Mit einem freundlichen Gruß verließ er das Abteil.
Ich brachte den Geldbeutel wieder zum Vorschein. »Und jetzt?«
»Wieder in den Müll werfen«, empfahl Stefano. »Dann findet ihn der Reinigungsdienst von allein.«
11
Zeit: heute
Ort: Polizeiwache Francaz – Spanien
Val schickt mich in ein Hotelzimmer, um einen Geldbeutel abzugeben, und jetzt soll sie laut Perez behaupten, gar keinen Geldbeutel gesehen zu haben? Das kann nicht wahr sein. Es ist ein Trick. Val wurde genau wie ich zu dieser Wache gebracht oder zu einer anderen in der Nähe. Weil ich ihr diese SMS geschickt habe, wird sie der Beihilfe verdächtigt. Sie sitzt jetzt wie ich in einem Verhörraum und fragt sich, wo ich bleibe. Kein Wunder, dass sie mich nicht holen kommt. Die Polizei spielt uns gegeneinander aus. Perez versucht, mir weiszumachen, dass Val mich verraten hat, und jemand anderes versucht gerade dasselbe bei ihr, in der Hoffnung, dass wir uns gegenseitig des Mordes beschuldigen, oder so. Ohne mich!
»Du hast nicht zum ersten Mal einen Geldbeutel gestohlen«, sagt Perez.
Die Tür geht auf. Barbalala kommt mit einer Plastiktüte von Eroski herein, einem spanischen Supermarkt, in dem Martijn auch oft einkauft. Sie stellt sie auf den Schreibtisch und beginnt auszupacken. Brot, Schafskäse und ein Netz Mandarinen. Mein Mund produziert sofort zusätzlichen Speichel.
»Dieses Bahnhofsrestaurant, in dem du Val getroffen hast«, sagt Perez. »Auf welchem Bahnhof war das noch mal?«
Als ob er das nicht wüsste.
»Serona«, antworte ich mit einem gebannten Blick auf die Lebensmittel.
»Auf dem Bahnhof von Serona wurde jemandem der Geldbeutel gestohlen. Ein Mann vom Reinigungsdienst hat ihn später in einem Abfalleimer im Zug wiedergefunden.«
Ich vergesse den Schafskäse. Der kalte Schweiß bricht mir aus.
»Wir haben den Geldbeutel untersucht, bevor wir ihn dem
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