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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Geschichte verdoppeln.
     Rosa Luxemburg wird theoretische Ökonomie, Heinrich Cunow die Geschichte der gesellschaftlichen Entwicklung, Hermann Duncker
     Geschichte des Sozialismus vortragen.« 179
    Die sozialdemokratische Parteischule war am 15. November 1906 im Geschäftsgebäude des »Vorwärts« in der Lindenstraße 3, 2.
     Hof, 4 Treppen links, eröffnet worden. Ihre Aufgabe sei es, hatte August Bebel in seiner Begrüßungsansprache erklärt, »einer
     Reihe tätiger und geistig strebsamer Genossen die Grundlage derjenigen sozialen und politischen Erkenntnis zu übermitteln,
     die bei dem so mächtig in die Breite gegangenen Parteileben doppelt notwendig sei« 180 . Im Namen des Lehrerkollegiums versicherte Heinrich Schulz: »Nicht systemlosem Vielwissen soll das Institut dienen, sondern
     der Einführung der Schüler in diejenigen Wissensmaterialien, die für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse« in erster Linie
     in Frage kämen. 181 Der Möglichkeiten dafür gab es dank sachkundiger Lehrer viele. Probleme der Nationalökonomie und des historischen Materialismus,
     wirtschaftsgeschichtliche und parteiengeschichtliche Vorträge standen ebenso auf dem Plan wie Rechtsfragen, gewerkschaftliche,
     genossenschaftliche und kommunalpolitische Probleme oder Übungen für den mündlichen und schriftlichen Gedankenaustausch bis
     hin zur Zeitungstechnik. Der Unterricht sowie die Lehr- und Lernmittel waren für die Teilnehmer unentgeltlich. Die von ihren
     Parteiorganisationen delegierten 30 Teilnehmer je Halbjahreskursus wurden mit ihren Familien darüber hinaus wegen des Arbeitsausfalls
     während der Dauer des Kursus von der Partei finanziell unterstützt. Zwei Lehrer waren fest angestellt, sechs bis acht unterrichteten
     nebenamtlich. Die Leitung der Schule oblag dem Lehrerkollegium. An seinen Konferenzen nahmen je ein Vertreter des Parteivorstandes
     und der Kursusteilnehmer mit beratender Stimme teil. Bei wichtigen Beschlüssen, vor allem bei Entscheidungen über Geldfragen,
     war die Zustimmung des Parteivorstandes einzuholen.
    |288| Die beiden festangestellten Lehrer waren seit November 1906 Franz Mehring und Heinrich Schulz. Letzterer kam aus Bremen und
     war zugleich Geschäftsführer des auf Beschluß des Mannheimer Parteitages 1906 gewählten Zentralbildungsausschusses. Die ersten
     Kurse wurden auf Honorarbasis von folgenden Sozialdemokraten geleitet: Hugo Heinemann (Strafrechtsfragen), Rudolf Hilferding
     (Wirtschaftsgeschichte/Nationalökonomie), Simon Katzenstein (Gewerkschafts- und Genossenschaftswesen, Kommunalpolitik), Kurt
     Rosenfeld (Bürgerliches Recht), Anton Pannekoek (Historischer Materialismus) und Arthur Stadthagen (Arbeitsrecht und soziale
     Gesetzgebung). Unterrichtet wurde von 8 bis 13 Uhr. Der Nachmittag war in der Regel dem Selbststudium vorbehalten, unterbrochen
     von einigen praktischen Übungen und Konsultationen. Aus dem Kreis der Lehrer wurde vom Parteivorstand ein Obmann ernannt und
     zusätzlich mit 400 Mark vergütet. Er hatte die laufenden Verwaltungsgeschäfte zu besorgen. Diese Rolle übernahm Heinrich Schulz.
     Wie die »Akten des Königlichen Polizeipräsidiums zu Berlin, betr. die sozialdemokratische Parteischule 1906–1910« ausweisen,
     wurden Lehrer wie Schüler vom Tage der Einrichtung der Schule an durch Beamte der preußischen Geheimpolizei überwacht. 182
    Die Schule befand sich im Hof eines großen Industriegebäudes mit mehreren unterschiedlichen Betrieben und vielen Beschäftigten.
     Nach den Erinnerungen von Clara Hacker-Törber machte das große Schulzimmer einen hellen und freundlichen Eindruck. »Im Vorraum
     stand ein Tisch, auf dem die sozialistische Tagespresse ausgelegt wurde. Jeder Schüler fand außerdem morgens die Heimatpresse
     auf seinem Platz. […] Jeder Schüler sollte monatlich 125 Mark und, wenn er verheiratet war, eine entsprechende Familienunterstützung
     erhalten. […] In den Pausen kochten wir [die Frauen unter den Teilnehmern] abwechselnd Kaffee, Tee und Kakao […]. Brot und
     Kuchen brachte sich jeder Genosse mit. Das Mittagessen nahmen wir in irgendeinem Lokal ein.« 183
    Vom Auftakt am 1. Oktober 1907 berichtete Rosa Luxemburg wenig Erhebendes. »Liebes Klärchen!«, schrieb sie nach Stuttgart,
     »Eure weinfröhliche Karte hat mir viel Freude gemacht. Viel weniger Freude empfinde ich über meine neue |289| Professoralwürde, die mir wie ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen ist, mitten in ruhiger Arbeit. Heute war Eröffnung des
    

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