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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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laufen!« 31
    Rosa Luxemburg war vor und hinter den politischen Kulissen |446| im Gespräch. Sie amüsierte sich, als sie erfuhr, daß auch Sozialdemokraten ihr Fluchtgedanken unterstellten. »Lieber junger
     Freund«, schrieb sie an Walter Stoecker am 11. März 1914, »ich versichere Sie, daß ich auch dann nicht fliehen würde, wenn
     mir der Galgen drohte, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich für durchaus notwendig halte, unsere Partei daran zu gewöhnen,
     daß Opfer zum Handwerk des Sozialisten gehören und eine Selbstverständlichkeit sind. Sie haben recht: ›Es lebe der Kampf!‹« 32

Liebling, denk Dir, wie famos!
    Neben der Lehrtätigkeit an der Parteischule standen Protestveranstaltungen gegen das Frankfurter Urteil auf dem Programm.
     Darauf bereitete sie sich mit ihren Verteidigern vor, die stärker als vor Monaten zu ihren persönlichen Freunden zählten.
    Ihre besondere Sympathie galt dem exzellenten Strafverteidiger Paul Levi. Unversehens verwandelte sich im Februar 1914 diese
     Zuneigung in Liebe. Bis 1983 Sibylle Quack Rosa Luxemburgs Briefe an ihn entdeckte, wußte niemand davon. 33
    Bereits der erste Brief, der wie viele in den beiden Monaten nach dem Prozeß keine Anrede enthielt, offenbart die persönliche
     Vertrautheit der beiden und Rosa Luxemburgs Sehnsucht nach dem »kleinen Schelm Carlé«, dem »langstielige[n] Junge[n] – eine
     Hand in der Hosentasche, das Hütlein auf die Stirn gedrückt und die Oberlippe trotzig vorgeschoben«. 34
    »Kaum war ich gestern nacht auf dem Berliner Pflaster ausgestiegen«, schrieb sie am 23. oder 24. Februar 1914, »als mich die
     bösen Vögel der geistigen Vereinsamung und der Depression wieder in ihre Krallen gepackt haben, und ich mußte mich sehr zusammennehmen,
     um auf der Straße nicht zu weinen.« Aus einem Forum, wo sich für Stunden oder Tage alles um sie drehte, wieder in den normalen
     Alltag versetzt, fühlte sie sich stets rasch »mutterseelenallein und fand das Leben hoffnungslos«. »Dann telephonierte mir
     noch Rosenfeld, daß die Berliner Parteileitung abgelehnt hat, Protestveranstaltungen einzuberufen. Ja, abgelehnt.« 35 Das verdarb ihr schon |447| am Morgen den Tag; sie floh ins Feld und ließ ihren Gedanken freien Lauf, hin zu Paul Levi, der leider in allzu großer Ferne
     war. Als sie zu Hause eine Depesche mit der Einladung zu Protestversammlungen gegen das Frankfurter Urteil in Stuttgart vorfand,
     war sie wieder frohgestimmt und verabredete sofort mit Paul Levi ein Treffen.
    Das Frankfurter Urteil löste eine Welle der Empörung aus, die sich in Massenversammlungen wie in der Presse manifestierte
     und über ihren Ursprung hinauswies. In Frankfurt und Hanau war Rosa Luxemburg mit ihren Verteidigern bereits unmittelbar nach
     dem Prozeß, am 22. Februar 1914, aufgetreten. Am 27. Februar nahm sie an zwei Stuttgarter Kundgebungen teil. Am 2. März fand
     unter Bewachung von einigen Dutzend bewaffneten Schutzleuten auch in Berlin im »Deutschen Hof« in der Luckauer Straße eine
     Volksversammlung mit Kurt Rosenfeld und Rosa Luxemburg statt. Im März fuhr sie mehrmals in den Süden Deutschlands, um in Pforzheim,
     Freiburg i. B., Karlsruhe, München und Nürnberg vor Tausenden von Menschen zu sprechen. Hier begleitete sie Paul Levi des
     öfteren. Das Glück solcher Begegnungen steigerte in den Wochen der Einsamkeit das Verlangen nach dem Geliebten. »Ich sehne
     mich so nach Ruhe und Stille und komme aus dem Sturm nicht heraus. Ich mag nicht schreiben, sehen will ich Dich.« 36 Wiederholt klagte sie in den Briefen: Warum kamst Du nicht? Warum fand ich keinen Brief vor? Wie geht es Dir? Was machst
     Du?
    Allmählich mehrten sich Liebkosungen, in Anrede und Abschiedsgruß taucht »Liebling«, »Süßer« oder »Häslein« auf. Sie sorgte
     sich um sein Essen, seine Ordnung und seine Gesundheit und gab selbst diesem Mann Ratschläge. Im April fuhr Rosa Luxemburg
     nach Chailly sur Clarens, wohin sie sich zwanzig Jahre früher mit Leo Jogiches geflüchtet hatte. Dort verbrachte sie – vermutlich
     einige Zeit mit Paul Levi – die letzten Ferien ihres Lebens.
    Privates und Politisches hat Rosa Luxemburg auch in der Beziehung zu Paul Levi nicht streng voneinander geschieden. »Nach
     einer schauderhaften Parteiarbeit für Polen (in Radek-Sachen! …) muß ich Dir einige Worte schreiben, um wieder Sonne und Lebenslust
     zu fühlen. Liebling, wärest Du für einem Moment bei mir! Gestern abend hat mir ›Kurtchen‹ [Rosenfeld

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