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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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die von Henrici und von der Anklage als Höhepunkt der Rede interpretierten Worte nicht gehört
     habe. Die Vernehmung von drei weiteren Zeugen ergab kein neues Beweismaterial.
    Staatsanwalt Dr. Hofmann bezeichnete Rosa Luxemburg im Plädoyer als Staatsfeindin Nr. 1, die die Massen in maßloser Weise
     aufgehetzt und die Leidenschaften aufgepeitscht habe. »Ihre ganze Persönlichkeit ist nicht geeignet, eine milde Auffassung
     hervorzurufen. Sie gehört der extremsten Gruppe des radikalsten Flügels der Sozialdemokratie an. Sie ist bekannt durch ihre
     außerordentlich scharfen Reden. Sie trägt den Beinamen ›die rote Rosa‹ nicht mit Unrecht. Die Frankfurter Reden zeigen, was
     sie in ihrem Kopfe denkt, was sie in ihrer Brust fühlt. Sie spielt mit dem Massenstreik, sie animiert zum Mord, sie fordert
     zur Meuterei auf. Das läßt erkennen, von welcher Todfeindschaft die Angeklagte gegen die bestehende Staatsordnung erfüllt
     ist. Wenn irgendeine unbekannte Agitatorin die Rede gehalten hätte, so würde sie mit einer geringen Strafe davonkommen. Aber
     die Angeklagte wird sich gefallen lassen müssen, daß die Strafe ihrer Bedeutung, ihrer Vergangenheit und ihrer außerordentlich
     starken staatsfeindlichen Gesinnung entspricht. Das Hauptwort bei der Strafe spricht nicht die Gefährlichkeit der Person,
     sondern die Gefährlichkeit der Tat. […] Was die Angeklagte getan hat, ist
ein Attentat auf den Lebensnerv unseres Staates
.« 17
    Als Verteidiger standen Rosa Luxemburg Dr. Kurt Rosenfeld aus Berlin und Dr. Paul Levi aus Frankfurt (Main) zur Seite. Der
     1877 geborene Dr. Kurt Rosenfeld war seit Ende des 19. Jahrhunderts Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, hatte sich 1899
     als Rechtsanwalt in Berlin niedergelassen und amtierte dort seit 1910 als Stadtverordneter. Rosa Luxemburg |441| unterhielt zu ihm ein freundschaftliches Verhältnis. Sie kannte ihn von der Parteischule und schätzte seine antimilitaristische
     Position. Dr. Paul Levi, 1883 in Hechingen geboren, entstammte einer großbürgerlichen jüdischen Familie, hatte in Stuttgart
     die Schule besucht und in Berlin, Grenoble sowie Heidelberg Jura studiert. Er war 1906 in die Sozialdemokratische Partei eingetreten,
     praktizierte seit 1909 als Rechtsanwalt in Frankfurt (Main) und gehörte zu den Linken in der Partei. Rosa Luxemburg hat ihn
     wahrscheinlich 1913 kennengelernt. 18
    Rosenfeld, der vom Vorsitzenden des Gerichts sofort wegen des »unerlaubten Begriffs« Denunziation unterbrochen wurde, konnte
     beweisen, daß man in den Worten der Angeklagten vergeblich den Tatbestand einer strafbaren Handlung sucht. In Kenntnis des
     Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuches zerpflückte er die Anklage. Geschickt stellte er zudem das Vermögen des Zeugen Henrici
     in Frage, als Denunziant die Wirkung der Luxemburgschen Rede objektiv einzuschätzen. Der Behauptung von zwei strafbaren Handlungen
     setzte er die nach Rechtsprechung und Wissenschaft übliche Annahme einer fortgesetzten Handlung entgegen. Besonders entschieden
     verwahrte sich der Verteidiger dagegen, in scharfmacherischer Weise das antimilitaristische Grundprinzip der Sozialdemokratie
     zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft versuche, Versammlungsfreiheit zu unterbinden. Auf den Vorwurf, Rosa Luxemburg habe
     eine besonders leidenschaftliche Rede gehalten, erwiderte Rosenfeld in voller Sympathie für seine Klientin: »Ohne Leidenschaft
     ist in der Geschichte noch kein Stein vom andern gerückt worden, und ich erinnere an Hegels Wort: Nichts Großes in der Welt
     ist ohne Leidenschaft vollbracht worden.« 19
    Auch Paul Levi reihte die Anklage gegen Rosa Luxemburg in die Weltanschauungsprozesse ein. Gottfried Keller zitierend, hob
     er zu einer Verteidigung der Gesinnungsfreiheit an: »Wenn die Religionen sich wenden, dann ist es, wie wenn Berge sich auftun.
     In die Schlünde, die da entstehen, werden Tausende und Hunderttausende hinabgeworfen; nicht weil sie etwas Schlechtes, Verwerfliches
     taten, nur weil ihr Sinnen ein anderes, neues geworden ist.« 20 Dieses Gericht der Geister solle jetzt wiederholt werden. Er ironisierte das vom Staatsanwalt |442| skizzierte Doppelgesicht Rosa Luxemburgs: klare, wohlabwägende Rednerin einerseits, gefährliche Verführerin andererseits.
     Rosa Luxemburg habe sich nicht des Willens anderer Menschen bemächtigt, wie ihr unterstellt werde, sondern neue Gedanken,
     neue Ideale an andere geistvoll herangetragen. Wer das bestrafe, unterbinde die »geistige

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