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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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die Niederwerfung des Zarismus
.
    Der Kampf um die politischen Freiheiten in Rußland gewährt dem polnischen Proletariat die Möglichkeit, nicht nur seine Interessen
     als Arbeiter zu wahren, sondern zugleich, in einzig wirksamer Weise
für autonome Freiheiten in Polen
ringend, als Verteidiger der bedrohten polnischen Nationalität auf dem Posten zu stehen. Auf dem Boden der oben entwickelten
     Grundsätze steht die Sozialdemokratie Russisch-Polens seit ihrem Auftreten im Jahre 1889.« 61 Das Hauptziel der SDKP sei nicht die Autonomie, sondern die Konstitution. 62
    Daß Rosa Luxemburg die Übersetzung einer gehässigen Reaktion aus dem »Naprzód« (Vorwärts) vom 14. Mai 1896 sofort an Karl
     Kautsky weiterreichte, zeugt von ihrer Courage. Die Replik lautete: »Fräulein Rosa Luxemburg, ein hysterisches und zänkisches
     Frauenzimmer, hat in der ›Neuen Zeit‹ einen Artikel veröffentlicht, in dem es die polnischen Sozialisten eines schrecklichen
     Verbrechens anschuldigen will, sie will nämlich beweisen, daß wir glühende Patrioten sind, und zwar nicht ›im Sinne der privaten
     (!) Vaterlandsliebe‹ …, sondern daß wir den Ehrgeiz haben, Polen wieder herzustellen! Dem Fräulein Rosa Luxemburg, das von
     allen Leuten in Polen, |62| die Herz und Kopf auf rechtem Fleck haben, verlassen wurde, gefällt offenbar unser Patriotismus nicht, und dagegen können
     wir nichts … Wir bedauern nur, daß eine ernste deutsche Zeitschrift auf den Leim des Fräulein Rosa ging, welches in der Schweiz
     die Leute anschwindelt als repräsentiere sie irgend jemand oder etwas in Polen …« 63 Von Witold Jodko-Narkiewicz, mit dem sie sich schon 1893 im Vereinshaus »Eintracht« in Zürich gestritten hatte, wurde sie
     im Berliner »Vorwärts« vom 15. bis 17. Juli 1896 verleumdet. Gegen ihn polemisierte sie mit dem Artikel »Zur Taktik der polnischen
     Sozialdemokratie« im selben Blatt vom 25. Juli 1896. 64
    Nach Meinung Rosa Luxemburgs gab es in Polen keine Gesellschaftsklasse, die ein Interesse an der Wiederherstellung der staatlichen
     Einheit und die Kraft hätte, dieses Interesse zur Geltung zu bringen. Sie orientierte sich theoretisch einseitig an der Abfolge
     von Gesellschaftsformationen und auf die objektiven Träger der künftigen Revolution. Der Nationalismus verletze so gravierend
     die Prinzipien internationalen Zusammenwirkens für die gemeinsame Vorbereitung auf die Befreiung vom Zarismus und von der
     Kapitalsherrschaft, daß dem ein absolut konsequenter Internationalismus ohne nationales Wenn und Aber entgegengesetzt werden
     müsse.
    Doch mit nationalem Nihilismus war der Nationalismus nicht zu besiegen, da er im Patriotismus des Volkes Wurzeln besaß, sich
     auf historische Traditionen berief, nationale Eigenheiten ansprach und den Großmachtchauvinismus der Teilungsmächte anprangerte.
     Die Existenz von Nationalitäten stand außer Frage; folglich mußten Wege zu ihrer Selbstbestimmung und Gleichberechtigung gesucht
     und gefunden werden. In Mentalität und Kultur blieb Rosa Luxemburg trotz oder besser gerade wegen ihrer humanistischen Weltoffenheit
     und ihres proletarischen Internationalismus eine stolze jüdische Polin. Die Atmosphäre, die sie als Kind und Jugendliche in
     der assimilierten jüdischen Familie in Warschau umgeben hatte, war gewiß mit prägend für ihre strikte Ablehnung jedweder religiöser
     und nationaler Überheblichkeit sowie der Unterdrückung andersdenkender und -fühlender Menschen. Für die Unterordnung der nationalen
     unter die soziale Befreiung aber wurde ausschlaggebend die sozialkritische Beschäftigung mit |63| der Geschichte des polnischen Volkes und mit den Anfängen der polnischen sozialistischen Bewegung. Die asozialen und intoleranten
     Folgen von borniertem Sozialpatriotismus und nicht zuletzt ihre intensiven wissenschaftlichen Studien über die Entwicklung
     des Kapitalismus in Polen, Rußland und weltweit bestärkten Rosa Luxemburg in ihrer Meinung.
    Daß sie ihren Standpunkt jedoch von Anfang an so apodiktisch formulierte und Veränderungen im Verhalten der verschiedenen
     Klassen und Schichten des polnischen Volkes ausschloß, entsprang auch studentischem Widerspruchsgeist und starkem Geltungsbedürfnis.
     Der Drang, als kluge und ehrgeizige junge Frau unbedingt recht haben zu wollen, trieb Rosa Luxemburgs Gegnerschaft zum Vorrang
     der nationalen Wiedergeburt Polens bis zu einer gewissen Realitätsferne und theoretischem Starrsinn. Sie eilte mit ihrem

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