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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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reagierte vermutlich verständnisvoll, denn Rosa Luxemburg schlug sehr bald wieder zärtlichere Töne an: »Mein
     Engel, Teuerster, wie lieb, herzlich, süß Du jetzt bist. Woher kommt das bei Dir? Du mein Gold, glaube mir völlig, vertraue
     mir, denn Du weißt, wie ich ganz zu Dir gehöre, wie ich in Dir und durch Dich lebe und für Dich alles tue. Du sagst, ob ›das
     nicht Müdigkeit, nicht der Wunsch nach Erholung ist‹. Gold, ich könnte doppelt soviel arbeiten und mich aufregen wie jetzt
     – wenn nur Du in meinen Armen wärst. Mich hat die Arbeit kein bißchen ermüdet. Nur das eine hat mich gequält und quält mich
     – Deine Abwesenheit! Ich spüre in meiner Seele eine Dürre und eine Sehnsucht – nach Dir, als würde ich an einem glutheißen
     Tag lange in einer öden Gegend umherirren. Ich spüre buchstäblich, wie meine Seele welkt ohne Dich. Du mein Einziger – was
     wird das für ein Glück sein, wenn ich Dich sehe. Wann wird das nur sein!« 47
    |56| Rosa Luxemburg war gereizt und nervös. Zu viele neue Aufgaben stürmten auf sie ein. In einem Ritt erlebte sie täglich von
     der Pike auf die Mühsal des Redakteurs einer Zeitung, die für eine illegal tätige Partei im weit abgelegenen und schwer drangsalierten
     Land gestaltet und auf oft unsicheren Umwegen an die Bestimmungsorte transportiert werden mußte. Nicht nur einmal klagte sie,
     sie sei völlig erschöpft, wisse nicht mehr aus noch ein und verliere die Geduld. Da sie polizeiliche Durchsuchungen fürchtete,
     vernichtete sie schweren Herzens Leo Jogiches’ Briefe. 48
    Viele Artikel schrieb sie selbst, oder sie arbeitete Beiträge anderer um. Bei Kürzungen und Übersetzungen von Beiträgen erfahrener
     Autoren hatte sie große Skrupel. Immerzu war sie bemüht, neue Autoren zu gewinnen. Sie feilschte mit dem Drucker Reiff um
     Papier und Satzkosten, achtete auf exakten Druck und auf gefälligen Umbruch. Interessiert verfolgte sie, welches Echo die
     »Sprawa Robotnicza« in der polnischen Arbeiterbewegung fand. Zufrieden registrierte sie, daß die Zeitung durch die enge Verbindung
     mit Organisationen im Königreich Polen und durch den Abdruck von Korrespondenzen polnischer Arbeiter bei ihren Lesern ankam.
     Dies mußte sogar von Widersachern in der PPS anerkannt werden. So hob Kazimierz Kelles-Krauz in einem Brief nach London am
     6. April 1895 besonders hervor, sämtliche Artikel der zum Parteitag der SDKP erschienenen »Sprawa Robotnicza« seien einwandfrei
     und von Arbeitern in Polen verfaßt worden. 49
    Rosa Luxemburg kümmerte sich auch ständig um Broschüren und anderes Agitationsmaterial. Beim Transport ergaben sich schnell
     einmal Schwierigkeiten, die Kopfzerbrechen verursachten. Sorgen bereitete die Finanzierung aller Vorhaben und ihres persönlichen
     Lebens, zu der Leo Jogiches viel beisteuerte. »Ich schicke Dir Reiffs Quittung und die Rechnungen«, begann z. B. ein langer
     Brief vom 25. März 1894 an ihn. »Zusammen mit den 100, die ich heute erhalte, habe ich für unsere Sache 118. Davon wird die
     Broschüre sicher 90 oder 100 kosten (das Papier ist teuer, anscheinend 7 F für tausend kleine Bogen und die Broschur). Das
     übrige Geld werde ich inzwischen für mich nehmen. Leider gebe ich hier sehr viel Geld aus – ich weiß selbst nicht, wofür.« 50 Posten für Posten |57| zählte sie anschließend die Ausgaben auf, von der Wohnungsmiete über Kleidung bis zu Brot und Milch und die 1,50 fr täglich
     für Mittag- und Abendessen bei Jadwiga Warska. Jedenfalls stände sie momentan ohne einen Groschen da und wolle von jetzt an
     auf alle Fälle sparsamer sein.
    Leo war gewiß streng im Umgang mit Finanzen; Rosa dagegen, wie Freunde bezeugten, »in der Privatökonomie vielleicht keine
     ganz so geniale Meisterin […] wie in der Nationalökonomie« 51 . Über eine Episode amüsierte sich Leo noch später: »Als wir in Paris lebten, hatten wir entfernt wohnende Freunde besucht.
     Auf dem Heimweg wurde Rosa müde und rief einem Fiaker zu, was die Fahrt nach Hause koste. Die genannte Summe war hoch, man
     konnte sie nicht ausgeben. Oh, Monsieur, rief Rosa, nous sommes pauvres (wir sind arm)! Darauf der Kutscher: Ce n’est pas
     ma faute, Madame (dafür kann ich nichts, Madame)! Diese Antwort belustigte Rosa so, daß sie sich auf die Erde setzte, sehr
     lachte und keine Müdigkeit mehr während des Marsches verspürte.« 52
    Da Leo Jogiches sich nur zeitweilig mit in Paris aufhielt, schrieben sie einander fast täglich.

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