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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Kücken muß man den Hals umdrehen, ehe sie recht mit Federn bewachsen.« 3
    Das Fragment enthält nahezu alle Grundthesen Rosa Luxemburgs zu den angesprochenen Problemen. Auch viele während des Krieges
     in Artikeln und Schriften entwickelte Gedanken zur Krise der Sozialdemokratie und der Internationale skizzierte sie hier noch
     einmal in Verbindung mit ihrem Urteil über die zu erwartende weltpolitische Situation. 4
    »Ich ›sitze‹, arbeite, lese und – warte« 5 , hatte sie bereits am 14. September an Adolf Geck geschrieben. Am 3. Oktober wurde Prinz Max von Baden zum neuen Reichskanzler
     ernannt. Philipp Scheidemann, einer der zwei Vorsitzenden der SPD, und Gustav Bauer, 2. Vorsitzender der Generalkommission
     der Gewerkschaften Deutschlands, traten als Staatssekretäre in die Regierung ein. Rosa Luxemburg hoffte auf die nach dem Regierungswechsel
     eingeleitete Amnestie. Sie telegraphierte an den neuen Reichskanzler, erhielt aber – statt einer Antwort – einen neuen Haftbefehl 6 , vermutlich für eine der während der »Sicherheitshaft« gegen sie verhängten Strafen. Von neuen Beschwerden ihres Rechtsanwaltes
     versprach sie sich wenig. Ungeduld und Mißmut sprechen aus dem lakonischen Satz in der kurzen Mitteilung an den Anwalt vom
     1. November: |584| »In der Annahme, daß ich bald freikommen würde, habe ich meine Bücher etc. schon verpackt, vernagelt und sitze nun in ziemlich
     ungemütlicher Umgebung da.« 7
    In dieser angespannten Situation fiel es Rosa Luxemburg schwer, Briefe zu schreiben. Auch an Besuchen hatte sie kein Interesse
     mehr, da man ja wegen der Wachhabenden sowieso nicht offen reden konnte. Sie hatte nur noch ein Ziel: wieder »frei zu sein«.
     Wilhelm Dittmann, Kurt Eisner und Karl Liebknecht waren bereits entlassen worden. Da nichts geschah, versprach sie sich wenig
     von neuen Beschwerden ihres Rechtsanwaltes. Am 4. November bemerkte sie in einem Brief an Mathilde Jacob resigniert: »Bitte,
     hetzen Sie sich mit der Putzerei in meiner Wohnung nicht ab. Sie sehen, es hat keine Eile. Die schweren Bücherkisten würde
     ich immerhin gern schon allmählich absenden, aber in der Wohnung ist ja niemand da, um sie in Empfang zu nehmen …« 8 Zusätzlich ärgerte sie eine ungerechtfertigte Mieterhöhung, wollte sie doch keinesfalls ihr »liebes Nest in Südende« verlieren.
     »Sie Ärmste«, bedauerte sie Mathilde am 7. November, »was haben Sie für Scherereien mit meiner Bude!« 9 »Mein liebes Röschen«, schrieb ihr am selben Tag Mathilde Wurm, »Tag für Tag öffne ich die Zeitung in der Erwartung, Deine
     endliche Entlassung zu lesen. Tag für Tag wird meine Hoffnung enttäuscht. So herrlich ist unsere derzeitige demokratische
     Regierung, daß wir noch nicht einmal ein Amnestiegesetz haben u. Du noch immer in Schutzhaft bist. Wie mußt Du leiden, in
     diesem Augenblick der Freiheit beraubt zu sein!« 10

C’est la révolution
    Am Abend des 7. November teilte der Gefängnisdirektor Rosa Luxemburg mit, daß sie frei sei, und am nächsten Tag konnte sie
     den Kerker endlich verlassen. 11 Die am 3. November mit dem Aufstand der Matrosen in Kiel begonnene Revolution hatte inzwischen viele Gebiete Deutschlands
     erfaßt. Auch in Breslau fanden am 8. November Kundgebungen statt. Rosa Luxemburg zögerte keinen Moment, sich daran zu beteiligen.
     Sie schrieb im Transportarbeiterbüro am Roßplatz 23 sogleich an |585| Paul Löbe, den Breslauer sozialdemokratischen Abgeordneten im Stadt- und Landesparlament, daß sie für ihn jederzeit erreichbar
     sei, und bat um eine kurze Verständigung, da sie auf dem Domplatz vor Demonstranten sprechen sollte. 12 Als sich beide am Eingang des Gewerkschaftshauses trafen, umarmten sie sich vor Freude über das Ende des Krieges und der
     Militärdiktatur.
    Eine vorläufige Unterkunft fand Rosa Luxemburg bei der Familie Schlich, die während der Haftzeit in Breslau für ihr Essen
     gesorgt hatte. Wie sie nach Berlin gelangen konnte, mußte erst einmal geklärt werden, da für Zivilisten keine Züge fuhren.
    In den frühen Morgenstunden des 9. November wurde bekannt, daß die Arbeiter und Soldaten die württembergische Monarchie gestürzt
     hatten. Clara Zetkin war auf dem Stuttgarter Schloßplatz begeistert begrüßt worden und hatte zu den Demonstranten gesprochen.
     Die Spartakusgruppe und die USPD besaßen im dortigen Arbeiter- und Soldatenrat und seinem Vollzugsausschuß, dem unter anderen
     Edwin Hoernle, Fritz Rück, August Thalheimer und

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