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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Begeisterung ergriffen. Es werden sieben Artikel sein. Die ersten drei schicke ich
     Dir in der Anlage. Sch[oenlank] hält das für einen
› Meisterschlag‹
und ein
› Meisterstück der Dialektik‹
. Der Artikel macht schon
Aufsehen
, in Leipzig reißt man sich darum.« 54
    Die gründliche Analyse und die Schärfe ihrer Meinung beeindruckten. Bernstein leugne nicht wie bürgerliche Ökonomen die Widersprüche
     kapitalistischer Verhältnisse. Er gehe vielmehr in seiner Theorie wie Marx von der Existenz dieser Widersprüche aus. Aber:
     »Seine Theorie steht in der Mitte zwischen den beiden Extremen, er will nicht die Widersprüche zur vollen Reife gelangen [lassen]
     und durch einen revolutionären Umschlag auf der Spitze
aufheben,
sondern ihnen die Spitze abbrechen, sie
abstumpfen.
So sollen [nach ihm] das Ausbleiben der Krisen und die Unternehmerorganisation den Widerspruch zwischen der Produktion und
     dem Austausch, die Hebung der Lage des Proletariats und die Fortexistenz des Mittelstandes den Widerspruch zwischen Kapital
     und Arbeit, die wachsende Kontrolle und Demokratie den Widerspruch zwischen Klassenstaat und Gesellschaft abstumpfen.« 55 Rosa Luxemburg hielt das für utopisch in bezug auf das sozialistische Endziel und für reaktionär in bezug auf die tatsächlich
     sich vollziehende rapide kapitalistische Entwicklung 56 .
    Viele Sozialdemokraten zollten ihr Beifall. »Parvus wollte mir telegraphisch gratulieren«, berichtete sie am 25. September Leo Jogiches, »die Zetkin schrieb an Schoenlank einen Brief mit
Lobliedern auf die ›tapfere Rosa, die den Mehlsack Bernstein so heftig klopft, daß der dicke Puderstaub in alle Lüfte fliegt
     und die Perücken der Bernsteinschule von den Köpfen fliegen, weil sie nicht mehr gepudert werden können

« 57 . Auch Franz Mehring war begeistert. 58
    Plötzlich erhielt Rosa Luxemburg ein Telegramm mit der Bitte, sofort nach Dresden zur »Sächsischen Arbeiter-Zeitung« zu kommen.
     Dort eröffneten ihr Parvus und Marchlewski, sie seien wegen ihrer politischen Tätigkeit von der Polizei als unerwünschte Ausländer
     aus Sachsen ausgewiesen worden. Rosa |98| Luxemburg solle an ihre Stelle treten. Sie sei der einzige revolutionäre Kandidat. »Die
Gegenkandidaten:
Schippel – ein Opportunist, Gradnauer –
ein Nichts
und Ledebour –
eine Wetterfahne.« 59
Rosa Luxemburg nahm das Angebot kurz entschlossen an, obwohl Leo Jogiches aus Zürich telegraphiert hatte: »Rundweg ablehnen.« 60 Bruno Schoenlank, der sie gerade als 2. Redakteur nach Leipzig holen wollte, riet ihr zu, denn er hielt sie für fähig und
     versprach sich durch solch einen Posten Aufsehen für sie und ihre revolutionären Ansichten. 61
    Parvus und Marchlewski hätten sich natürlich verpflichtet, ein Maximum dessen zu schreiben, was sie könnten, beruhigte sie
     ihren aufgebrachten Leo. »Außerdem werde ich gleich andere Mitarbeiter haben, die bei Parvus nicht schreiben wollten: z. B.
     Mehring, den ich mit Hilfe von Schoenl[ank] (die besten Freunde) gleich packen werde. Noch heute, wenn die Sache perfekt ist,
     fahre ich nach Dresden, um die Redaktion zu übernehmen, denn der Dicke [Parvus] und Julek müssen sich schon morgen trollen!« 62 Sie hätte nur die beiden ersten Seiten der Zeitung zu bearbeiten, also nichts Schreckliches! Außerdem sei es ihre ganz persönliche
     Entscheidung, hob sie hervor. Sie nutzte ihre Kontakte zu Bruhns bei der »Breslauer Volkswacht«, zu Bruno Schoenlank in der
     »Leipziger Volkszeitung« und zu Konrad Haenisch bei der »Pfälzischen Post« und verhandelte sofort mit Mehring, Schippel und
     Stadthagen über Artikel. »Und überhaupt – ›Heute wagen wir, morgen schlagen wir‹, wie Donna Klara.« 63
    Wenigstens vorübergehend der Redakteur eines täglichen Parteiblattes zu sein erschien ihr verlockend. Neben den Parlamentariern
     besaßen die Redakteure in der deutschen Sozialdemokratie damals den größten Einfluß. Konnte sie schon nicht Abgeordnete werden,
     wollte sie wenigstens ihr journalistisches Können unter Beweis und der Partei zur Verfügung stellen.
    August Bebel freute sich, daß Rosa Luxemburg die Stelle zugesprochen bekam. Sie »ist ein sehr gescheites Frauenzimmer u. wird
     ihren Mann stellen«, versicherte er Victor Adler am 29. September 1898. 64 Robert Seidel verwob seine Verwunderung mit ein wenig Spott: »Da sehen Sie, was die große Bühne ausmacht! Sie gehen nach
     Berlin und werden in kurzer |99| Zeit eine europäische

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