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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Ich möchte alle Leiden …
den Satten auf ihr Gewissen laden
    Als Nesthäkchen wurde Rosa von ihren Geschwistern verwöhnt, besonders als sie mit fünf Jahren von einem Hüftleiden befallen
     und in Gips gelegt wurde. Etwa ein Jahr mußte sie die meiste Zeit im Bett oder im Zimmer verbringen, und sie behielt zeitlebens
     einen schleppenden Gang zurück. Aus dieser für ein lebhaftes und aufgewecktes Kind fast unerträglichen Situation machte sie
     das Beste: Sie lernte mit fünf Jahren lesen und schreiben, unterstützt von ihrer Mutter, die wahrscheinlich bereits damals
     spürte, was sie später einmal gesagt haben soll: »Róża ist klüger als wir alle zusammen.« 33 Bücherlesen und Briefeschreiben waren seither Leidenschaften, mit denen Rosa Luxemburg Freunde gewann, manche Menschen aber
     auch quälen konnte. Ihre Familie überhäufte sie mit Briefen und erwartete ungeduldig Antworten. »Kaum vermochte sie selbst
     zu lesen«, wird berichtet, »als sie auch schon begann, es die Hausmädchen zu lehren, die damals in Russisch-Polen fast alle
     Analphabeten waren. […] Ein rastloser Tätigkeitsdrang beseelte sie, und zu jeder Beschäftigung stellte sie sich sehr geschickt
     an, ob sie nun Puppenkleider nähte, Handarbeiten machte oder neben dem Schreiben und Lesen ihrer vor allem geliebten Zeichenkunst
     oblag. […] Mit sechs Jahren las und schrieb sie geläufig und war Leserin und fleißige Mitarbeiterin einer Kinderzeitung. Nicht
     viel später versuchte sie sich im Übersetzen von russischen Gedichten ins Polnische und dichtete selbst in dieser Sprache.« 34 Den »Pan Tadeusz«, das polnische Nationalepos von Adam Mickiewicz, konnte Rosa Luxemburg bereits als Kind deklamieren.
    Bis zum 9. Lebensjahr wurde Rosa Luxemburg zu Hause unterrichtet. Ab 1880 besuchte sie in Warschau das II. Mädchengymnasium.
     Das war eine gewisse Auszeichnung, da die höheren staatlichen Lehranstalten vorwiegend Kindern aus russischen Beamten- und
     Offiziersfamilien vorbehalten waren. Für |26| Angehörige polnischer und jüdischer Familien bestand ein besonders enger numerus clausus. Das Bildungswesen beherrschten antisemitische
     und antipolnische Reglements zugunsten der Zöglinge der Teilungsmacht Rußland, die nach der Niederschlagung des polnischen
     Aufstandes von 1863/64 durch weitere Russifizierungsmaßnahmen verschärft wurden. Die Unterrichts- und Behördensprache war
     Russisch. Auch untereinander durften die Schülerinnen nicht polnisch sprechen. Für den Religionsunterricht wurden sie nach
     Bekenntnissen in römisch-katholische, russisch-orthodoxe und jüdische Gruppen getrennt. Die wenigen jüdischen Schülerinnen
     erfuhren dadurch eine zusätzlich demütigende Isolierung.
    Ein Gedicht, das Rosa Luxemburg in polnischer Sprache verfaßt hatte, ging dennoch unter ihren Mitschülerinnen und auch in
     anderen Lehranstalten von Hand zu Hand und rief heiße Dispute hervor. Es wurde von ihrer Mitschülerin Jadwiga Sikorska wie
     auch von deren Schwester Helena aufbewahrt.
    Für diejenigen fordere ich Strafe,
    die heute satt sind, die in Wollust leben,
    die nicht wissen, nicht fühlen,
    unter welchen Qualen Millionen ihr Brot verdienen.
     
    Ich empfinde Schmerzen beim Anblick eines frohen Gesichtes,
    eines frohen Lachens,
    weil diejenigen, die der Armut und
    der Unwissenheit preisgegeben, weder Lachen noch Frohsinn kennen.
     
    Ich möchte alle Leiden, alle verborgenen, bitteren Tränen
    den Satten auf ihr Gewissen laden,
    ihnen alles mit schrecklicher Rache heimzahlen. 35
     
    Als 1884 ein Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm I. in Warschau bevorstand, schrieb sie in polnischer Sprache ein Spottgedicht:
    |27| Zu Kaiser Wilhelms Ankunft.
    Endlich werden wir Dich sehen, Mächtiger des Westens,
    Das heißt, solltest Du in des Sachsen Garten kommen,
    Denn ich besuche Euere Höfe nicht.
    Es liegt mir nämlich an Eueren Ehrenbezeigungen gar nichts.
    Doch wissen möchte ich, was Ihr dort schwatzt.
    Mit dem »Unserigen« sollst Du ja »per Du« sein.
    In bezug auf Politik bin ich noch ein dummes Schaf,
    Drum will ich überhaupt mit Dir nicht viel reden.
    Nur eines möchte ich Dir, lieber Wilhelm, sagen:
    Sage Deinem listigen Lumpen Bismarck,
    Tue es für Europa, Kaiser des Westens,
    Befiehl ihm, daß er die Friedenshose nicht zuschanden macht. 36
    Der vielseitig begabten Róża fiel das Lernen leicht. Während der gesamten Schulzeit war sie stets die beste Schülerin. »Doch
     wurde ihr trotzdem nach der Absolvierung die

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