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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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ausüben und ein selbstbestimmtes Leben führen. Während an den Universitäten ihres Landes keine
     Frauen zugelassen waren, bot sich in Westeuropa die Chance, ein Studium aufzunehmen. Um diese wahrnehmen zu können, hatte
     sie sich bereits am 15. März 1888 einen polnischen Paß ausstellen lassen.

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    |32| AUFBRUCH
1889–1897  
    Ich bin wirklich schon ganz erwachsen
    Rosa Luxemburg wählte als Emigrationsland die Schweiz, eine föderative demokratische Republik mit voller Glaubens- und Kultusfreiheit.
     Wie sie dorthin gelangte, ist nicht belegt. Am häufigsten taucht in der Literatur die Version aus Paul Frölichs Biographie
     auf. Danach organisierte Marcin Kasprzak die Flucht. Ein katholischer Pfarrer soll Rosa Luxemburg in einem Bauernwagen, im
     Stroh versteckt, über die russischdeutsche Grenze geschmuggelt haben, nachdem Kasprzak ihm versicherte, das jüdische Mädchen
     wolle ohne Wissen ihrer Angehörigen im Ausland Christin werden. 1
    Am 18. Februar 1889 meldete sich Rosa Luxemburg in Oberstrass, das 1893 von Zürich eingemeindet wurde, an und bezog ein Zimmer
     in der Nelkenstraße 5. In den folgenden Jahren wechselte sie öfter das Quartier, von 1892 bis 1896 wohnte sie in der Gemeinde
     Hottingen, u. a. in der Plattenstraße, 1896 zog sie wieder zurück nach Oberstrass, dieses Mal in die Universitätsstraße 77. 2
    Zürich, an der Limmat und an dem sich weit ins Land erstreckenden See gelegen, umgeben von bewaldeten Höhen und imposanten
     Bergketten, hatte Ende des 19. Jahrhunderts 115   000 Einwohner. Neben den etwa 30   000 Ausländern, darunter 22   000 Deutsche, gaben mehr als 500 Professoren und Studenten und zahlreiche Künstler aus verschiedenen Ländern der bürgerlichen
     Idylle ein besonderes Flair. Poeten und Literaten wie Conrad Ferdinand Meyer, Gottfried Keller, Ricarda Huch oder der weithin
     bekannte Historiker Jacob Burckhardt belebten die Kulturszene, die sich sowohl eidgenössisch eng als auch kosmopolitisch weit
     präsentierte. Theater, Museen, Bibliotheken, Lesehallen und Klubs boten vielfältige Möglichkeiten für erbaulichen und kritischen
     Kunstgenuß. Vom »heiteren, |33| gottbegnadeten Zürich« schrieb Rosa Luxemburg später in bester Erinnerung an dort lebende Freunde. 3
    Die »Neue Zürcher Zeitung« mit Gustav Vogt als Chefredakteur galt als »vornehmstes Organ der deutschen Schweiz« 4 . Ihr Pendant war die »Arbeiterstimme« der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Viele emigrierte deutsche Sozialdemokraten
     fanden bei den Züricher Genossen solidarische Unterstützung. Das Vereins- und Kosthaus »Eintracht« am Neumarkt5 war das Zentrum
     der gesellschaftlichen, kulturellen und karitativen Aktivitäten des gleichnamigen Arbeiter-Bildungsvereins.
    In diesem Sozialistenklub gab es eine gut ausgestattete Bibliothek, einen Lese- und einen Hörsaal. Hier begegnete Rosa Luxemburg
     deutschen Sozialdemokraten. Robert Seidel und Frau Mathilde, Carl und Olympia Lübeck mit Sohn Gustav oder Jakob Heusser, der
     Geschäftsführer der Buchhandlung des Schweizerischen Grütlivereins, zählten bald zu ihren nahen Bekannten und Freunden. Robert
     Seidel war bereits 1870 aus Sachsen in die Schweiz übergesiedelt und wurde 1890 Redakteur der »Arbeiterstimme«.
    Zürich war ein Sammelpunkt für politische Emigranten. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten hier zahlreiche russische
     Revolutionäre. Sie waren in Rußland schon des öfteren eingekerkert oder verbannt gewesen und wollten nun von der Schweiz aus
     den Sturz des Zarenregimes gründlich vorbereiten. Die Zentralfigur der russischen Kolonie in Zürich war Pawel Axelrod. 1850
     geboren, hatte er in den 70er Jahren an der Volkstümlerbewegung teilgenommen, zählte 1883 zu den Mitbegründern der marxistischen
     Gruppe »Befreiung der Arbeit«, an deren Spitze Georgi Plechanow stand. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Axelrod u. a.
     mit der Herstellung von Kefir, der später vom Eidgenossenschaftlichen Amt für geistiges Eigentum als »Axelrods Joghurt« patentiert
     wurde. Zu Pawel Axelrod und der russischen Kolonie fand Rosa Luxemburg rasch Kontakt.
    In der Bibliothek des Polenmuseums im Schloß Rapperswil bei Zürich, die eine umfangreiche Sammlung polnischen Schriftguts
     besaß, traf Rosa Luxemburg gewiß auf Landsleute. Bereits vor ihr hatten z. B. Zofia Daszyńska und Mieczyslaw Hartmann |34| in Zürich Zuflucht gesucht. Seit 1887 existierte ein polnischer Studentenverein.
    Zürich zerfiel

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