Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
kaum die Augen auf, so müde bin ich. Ich glaube, meine Pupillen liegen noch im Bett«, sagte Janie, als wir das Haus verließen und in Janies Porsche am nächsten Morgen um halb fünf durch die dunklen Straßen von Trillium River zur Bäckerei fuhren. Ich nahm mir vor, endlich meinen eigenen Porsche aus Portland zu holen. Wir waren aus Cecilias Haus gestolpert, heimgegangen, hatten geduscht, uns umgezogen und waren wieder losgestolpert.
»Ich habe das Gefühl, mein Hirn ist durch Haferschleim ersetzt worden«, flüsterte Janie. »Und ich bin gestern Abend nicht zum Sticken gekommen …«
»Ich habe das Gefühl, der Tod hat in meinem Kopf Platz genommen«, sagte ich. »Und er tritt mir gegen die Schädeldecke.«
Als wir um die Ecke bogen, schaute mich Janie flehend an.
»Nein«, sagte ich.
Aus ihrer Kehle kam ein quiekendes Geräusch.
»Du musst dich zusammenreißen.«
»Das versuch ich ja.«
»Nicht stark genug. Sag Ja zu Medikamenten.«
»Ich kann mich bestimmt nicht konzentrieren«, jammerte sie. »Werde den ganzen Tag neben der Spur sein. Wahrscheinlich lasse ich die Orangen-Zitronen-Muffins und die Crêpes-Röllchen mit den Schokoladenraspeln und der Sahne schwarz werden.«
»Himmel, Arsch und Zwirn«, stieß ich hervor und wendete mitten auf der Straße. Ich hatte keine andere Wahl, musste nachgeben. Sonst würde es den ganzen Tag so gehen.
Janie seufzte vor Erleichterung.
Wir fuhren den Hügel zu Grandmas Haus wieder hinauf. Ich hielt in der Einfahrt. Janie flitzte mit wehenden Röcken los. Sie überprüfte die Eingangstür. Abgeschlossen.
»Was für eine Überraschung!«, summte ich vor mich hin. Janie schloss die Tür auf, rannte ins Haus. Ich wusste, dass sie den Herd, den Backofen und das Bügeleisen oben (das niemand angestellt hatte) erneut überprüfte. Ich wusste, dass sie viermal auf das Bügeleisen klopfen würde – auf die Unterseite, die heiß werden konnte, um sich zu vergewissern, dass sie nicht heiß war. Sie würde auch auf die Einschaltknöpfe von Herd und Backofen klopfen, viermal, um sich zu vergewissern, dass das Haus nicht abbrennen würde.
Ich sah sie aus der Haustür kommen. Sie schloss die Tür.
Sie rannte zum Auto.
»Du machst mich fertig«, sagte ich zu ihr.
Sie lehnte den Kopf zurück. »Ich mach mich selbst fertig. Nimm mich in die Arme, Isi.«
»Ach, ist das schrecklich.« Ich nahm sie in die Arme, und wir atmeten zusammen, Kopf an Kopf. Ein und aus. Regelmäßig. Friedvoll. Der Wind brauste um uns herum. »Wir sind ein Bild des Jammers!«
Probleme können überwältigend sein. Ungeheuer. Unlösbar. Ich glaube, der menschliche Verstand ist ein Labyrinth aus Schuldgefühlen und Bedauern, Freuden, Leidenschaften und Erinnerungen. Aber wenn man jemanden hat, an den man seinen Kopf lehnen kann, Stirn an Stirn, mit dem man die Wärme teilen kann, dessen Puls im selben Rhythmus schlägt, wird das Leben leichter. Nicht perfekt, das gibt es nicht. Aber besser.
Am nächsten Tag kam ein kleiner Asiate in die Bäckerei gehumpelt.
Er war etwa einssechzig groß und hatte einen Buckel, als hätte er sein Leben lang unter Rückenschmerzen gelitten.
Tiefe Falten gruben sich in seine Wangen, doch was mir besonders auffiel, war sein Hals. Über dem makellos sauberen, angeknöpften Kragen seines Hemdes war eine Narbe zu sehen, dick, breit und glänzend rosa, die sich fast um den gesamten Hals zog.
Seine Augen waren schwarz und sanft, aber ich hatte das Gefühl, in zwei Tunnel aus Leid zu blicken.
»Hallo, willkommen bei Bommarito. Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ja, vielen Dank«, sagte er. Seine Stimme war leise und hatte einen starken Akzent. »Bitte, Sandwichbrot.«
»Gut, ich hole Ihnen eins.« Lächelnd packte ich sein Brot ein. Janie hatte an diesem Morgen Knoblauch-Käsebrot gebacken, weil sie sich angeblich »wie Knoblauch fühlte«.
Ich musterte ihn erneut, schätzte, dass er um die sechzig war. Mindestens. Er beäugte die Kekse.
Der Mann war spindeldürr. Wie ein trauriges Skelett mit Gesicht.
Ich fügte zwei wie Seepferdchen geformte Kekse in einer Extratüte hinzu. Das eine Seepferdchen hatte ich rosa mit grünen Punkten glasiert, das andere grün mit rosa Punkten.
»O nein. Ich nicht Kekse bestellt«, sagte er. »Brot. Vielen Dank. Ich danke Ihnen.«
Ich reichte ihm das Brot und die Kekse. »Die sind für Sie. Ein Geschenk.«
»Ein Geschenk?« Seine Augenbrauen schossen in die Höhe.
»Ja.«
»Ein Geschenk«, sagte er ganz leise. In seinem Gesicht
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