Rosas Vermaechtnis
bewunderte.
Maries Mann Robert war vor vier Jahren ganz plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Die Ehe der beiden war sehr innig gewesen, und nie würde Marie den Moment vergessen, an dem sie an einem schönen Frühlingstag aufgewacht war und Robert tot neben ihr im Bett gelegen hatte. Ihn, der besonders sportlich und durchtrainiert gewesen war, der weder rauchte noch trank und sich darüber hinaus auch noch gesund ernährte, hatte dieses Schicksal trotz allem kurz vor seinem fünfundvierzigsten Geburtstag ereilt, und Marie war sich seitdem der Endlichkeit des Lebens unmittelbar bewusst. Nachdem der erste furchtbare Schock sich gelöst hatte und sie begann, das Unfassbare zu begreifen, ertappte sie sich dabei, dass ihr Schmerz von dem unendlich tiefen Bedauern begleitet wurde, keine Kinder zu haben. Vielleicht wäre dann alles leichter zu ertragen gewesen, weil es jemanden gegeben hätte, um den man sich kümmern und für den man sorgen müsste und mit dem man darüber hinaus das Leid hätte teilen können. Marie schalt sich egoistisch, weil sie einem Kind den Verlust des Vaters zumuten würde, aber ein Vermächtnis von Robert, ein Wesen, in dem er weitergelebt hätte, wäre ein großes Glück gewesen.
Nach zwei dramatischen Fehlgeburten im fünften Schwangerschaftsmonat hatten Robert und Marie ihren Kinderwunsch schweren Herzens begraben. Nie würden die furchtbaren Erinnerungen daran verblassen; die Verzweiflung, die Not und die Hilflosigkeit des Ausgeliefertseins hatten sich tief in ihre Seele eingebrannt. Das Laken voller Blut, der Panik auslösende Schmerz, die Fahrt ins Krankenhaus, das Bedauern in den Augen der Ärzte, die qualvolle, nächtliche Geburt, die kein neues Leben schenkte, sondern den Tod unmittelbar erleben ließ, all das war mehr, als Maries Körper und Geist für lange Zeit verkraften konnten.
Trotzdem hatte sie nie den Glauben an das Leben verloren, und als die wieder auflebende Freundschaft zu Alexandra sich intensivierte und sich neue Lebensentwürfe auftaten, kehrten Optimismus und Zuversicht zurück. Es war schön, so konkret zu planen, um es dann in die Tat umzusetzen. Es war schön, den Beruf zu wechseln, um sich mit einem guten Konzept selbstständig zu machen, sich von Altem zu befreien, um noch einmal ganz von vorn anzufangen. Und der Erfolg gab den beiden Frauen recht.
Marie war lange Jahre Redakteurin bei einer bekannten Kochzeitschrift gewesen, jetzt arbeitete sie als freie Mitarbeiterin – kreative Berufe waren eben eine Passion, die man nicht so einfach loswurde. Aber ihr Schwerpunkt hatte sich verlagert. Wie Alexandra war auch Marie ein Genussmensch mit einem ausgesprochenen Sinn für gutes Essen und Trinken und angenehme Atmosphäre. Schon als junge Mädchen, als andere in ihrem Alter ihre Ernährung nur allzu gern der nächsten Imbissbude überließen, hatten sie sich neue Rezepte ausgedacht, die sie in den elterlichen Küchen ausprobierten. Und als das Biertrinken in der Clique angesagt war, fanden sie wiederum keinen Gefallen daran, aber dafür erschloss sich ihnen die Welt der Weine, in der sie sich nach und nach immer besser auskannten.
In den nächsten Jahren, die mit Studiengängen und Berufstätigkeiten an- und ausgefüllt waren, schlummerte dieses Potenzial in beiden Frauen, Marie war durch ihren Beruf eher auf die theoretische Schiene geraten – sie berichtete über Essen und Trinken, bereiste Länder und sammelte für die Redaktion außergewöhnliche, aber auch ganz bodenständige Rezepte. Um selbst am Herd zu stehen und ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen, blieb ihr nur wenig Zeit, was sie sehr bedauerte. Dass ihrer beider Begabung nicht verschwunden war, spürten die Freundinnen schon bei ihrem ersten Treffen nach langer Zeit wieder, und es dauerte nicht lange, bis die neue Idee in ihren Köpfen Gestalt annahm und sie nicht mehr losließ.
Tatsächlich hatte sich Professor Hafner für das damals noch renovierungsbedürftige Anwesen interessiert, wie Alexandra mit einem Anruf bei der Maklerin herausfand. Der Kaufpreis und Maries offenkundige Begeisterung hatten schließlich den Ausschlag gegeben. Außerdem waren die beiden Frauen bereit gewesen, einige Tausend Euro mehr als die – ihnen damals unbekannte – Konkurrenz zu zahlen. Die Maklerin erinnerte sich noch gut daran, dass der Professor bis zum Schluss um den Zuschlag gekämpft hatte, aber irgendwann aufgeben musste, weil der Preis seine Mittel letztlich restlos überstrapazierte.
Und nun
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