Rose der Prärie
sie war eine fromme Frau, sie arbeitete hart, war eine gute Köchin und konnte sich außerdem hingebungsvoll um Ma kümmern. Langsam fügte sich alles zu einem Plan zusammen.
„Noch ein kleiner Tipp: Nehmen Sie sich heute beim Abendessen sofort Soße, denn meine Onkel essen sie sonst rücksichtslos bis zum letzten Tropfen auf.“
Platsch ! Öl schwappte aus dem Kännchen, als er sich abrupt umdrehte. „Onkel? Alle –“
„Jedenfalls sind sie das für mich.“ Ihre Augen leuchteten, als sie das sagte. „Onkel Bo ist der einzige wirkliche Blutsverwandte, den ich noch habe. Aber bitte reden Sie nie mit den anderen darüber. Es würde ihnen das Herz brechen. Jesus, meine Onkel und Jerlund – das ist meine Welt.“
Damit beschrieb sie ein Leben, von dem er bisher erst einmal gehört hatte. „Als meine Schwester noch klein war, liebte sie ein Buch über ein Mädchen, die bei vielen kleinen Männern wohnte. Bei Zwergen.“
„Schneewittchen.“ Ein gewinnendes Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. „Von den Gebrüdern Grimm. Das ist auch Jerlunds Lieblingsgeschichte.“
Nachdem er das Kännchen wieder an seinen Platz gestellt hatte, wischte er das verschüttete Öl auf. „Als Sie mir am ersten Abend gesagt haben, dass es hier keine andere Frau außer Ihnen gibt, war das kein Witz, oder?“
Ihr ausdrucksstarkes Gesicht verriet die Erinnerungen, die ihr bei seiner Frage ins Gedächtnis kamen. „Ich wünschte, es wäre nur ein Scherz gewesen. Die Cholera hat mir meine Tante Maude geraubt – die alte Frau, die mir alles über Krankheiten und ihre Heilung beigebracht hat – und noch drei weitere Frauen. Ich habe die Frauen und die fünf anderen Kinder außer mir alle zur gleichen Zeit verloren. Die meisten Männer waren zu der Zeit an einem anderen Ort, an dem eine neue Kirche gebaut wurde. Sie bauten dort einen Altar, eine Kanzel und die Kirchenbänke. Deshalb sind sie nicht von der Cholera-Epidemie getötet worden. Ich sage mir immer wieder, dass ich dafür dankbar sein muss, sonst hätte ich auch noch ein paar von ihnen verloren.“
„Das muss hart für Sie gewesen sein – und ist es wahrscheinlich immer noch.“
„Schon. Aber ich habe dadurch gelernt, mein Herz ganz weit aufzumachen und nicht dem nachzutrauern, was gewesen ist, sondern in der Gegenwart zu leben. Ich freue mich lieber über die Menschen, die Gott mir gegeben hat.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und stampfte die Kartoffeln.
Todd nahm ihr das komische Küchenutensil aus der Hand. „Ich bin zwar kein Koch, aber das hier kann ich auch tun.“ Sie goss Milch zu den Kartoffeln und fügte noch Butter und Salz hinzu, während er die Kartoffeln nach und nach zerdrückte. „So wird Kartoffelbrei also gemacht!“
„Kartoffelbrei, der in einer kräftigen Soße schwimmt, wäre auch ein gutes Essen für Ihre Ma. Das bringt sie wieder auf die Beine.“
Ma! Er hatte gar nicht mehr an die Schwierigkeiten gedacht, die vor ihm lagen. Für eine kurze Zeit hatte er an der Seite von Miss Rose seine Sorgen zur Seite schieben können. Da so viele Männer hier von ihr abhängig waren, gab es bestimmt keine Hoffnung, dass sie mit ihm gehen würde. Oder vielleicht doch?
„Ma geht es sehr schlecht.“
„Das ist richtig. Jedenfalls im Moment. Nur die Zeit wird zeigen, wie schlimm es wirklich ist. Wenn es danach ginge, wie viele Gebete schon für Ihre Ma gesprochen wurden, dann wird Ihre Mutter in ein paar Tagen zum Bahnhof hüpfen.“
Ein weiteres Gebet wurde den anderen vor dem Abendessen noch hinzugefügt. Zarter Braten, Karotten, Kartoffelbrei – jeder Bissen schmeckte zehnmal besser als der davor. Danach packten die Männer aus, was sie in der letzten Zeit geschnitzt hatten, damit die anderen es begutachten konnten.
Miss Rose griff nach einer kleinen Dose zwischen den Schnitzarbeiten und trug sie an ihren Platz. „Diesmal sind auch ein paar wunderschöne Broschen dabei.“
„Die mag sie am liebsten. Sie hat jeden Tag eine an“, erklärte Jerlund mit einem zu lauten Flüstern. „Ich mag die mit den Vögeln drauf am liebsten.“
„Jedes Stück ist etwas Besonderes, wenn man nur genau hinschaut.“ Miss Rose suchte eine Brosche heraus und hielt sie vor die Lampe. „Diese hier muss man nur kurz anschauen und schon sieht man, dass sie ein Kunstwerk ist. Das zarte Profil darauf ist einfach wunderschön.“
Doch Todd hatte nur Augen für Maggie Rose. Der Schein der Lampe hüllte sie in ein sanftes Licht. Anmutig und schön – diese
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