Rose der Prärie
Worte passten viel besser zu ihr als zu den Muschelschalen, aus denen die zarten Kameen gefertigt waren. Gespräche erfüllten die Küche – über das Wetter, die Tiere, Erinnerungen an glückliche Zeiten. Doch Todd hätte viel lieber mit Miss Rose gesprochen.
Er wollte sehen, ob sein Plan überhaupt eine Chance hatte. Entschlossen bahnte er sich einen Weg zu der Gruppe Männer, die um Miss Rose herumstand. Schon als er die Kartoffeln gestampft hatte, waren sie sich sehr nah gewesen, aber jetzt stand er noch näher bei ihr. Ihre Reaktion auf seine Berührung würde zeigen, ob sie vor ihm zurückschreckte oder es zuließ. „Wenn ich diese Kamee nur lange genug betrachte, vergesse ich alles und kann mich nicht mehr erinnern, wer sie gemacht hat.“ Seine Finger legten sich behutsam um ihre Hand, und er zog sie ein Stück zu sich heran, damit auch er die Kamee sehen konnte. Einen Moment lang zitterte ihre Hand. Spürte sie dasselbe wie er bei der Berührung? Doch dann entspannte sich ihre Hand vertrauensvoll in seiner, was er für ein gutes Zeichen hielt. Trotzdem zitterte ihre Stimme, als sie seine Frage über ihre Eltern beantwortete.
„Sind Sie eher wie Ihre Mutter oder wie Ihr Vater?“, wollte Todd wissen.
„Wie beide. Mama liebte das Backen und ihre Rosen. Papa liebte die Bücher und alte Geschichten.“
Sie gab die Kamee an den Mann neben sich weiter. „Wie ist das mit Ihnen, Mr Valmer?“
Sie war gar nicht auf das Aussehen eingegangen. Interessant. Das sagte eine Menge über sie aus. „Meine Liebe zum Land kommt von meinem Vater. Doch leider muss ich zugeben, dass ich die Kochkünste meiner Mutter nicht geerbt habe.“
„Das ist ein Umstand, unter dem viele Männer leiden.“ Ihr Gesicht blieb ernst. „Auch mein Vater brachte in der Küche nichts zustande, es sei denn, er konnte dafür einen Hammer benutzen.“
Sie goss ihm Kaffee in seinen Becher und füllte dann ihre etwas zierlichere Tasse. Doch die Tasse fiel und zersprang auf dem Boden in tausend Scherben, als ein schrecklicher, lauter Schrei aus dem Nebenzimmer kam.
Kapitel 4
Wahrscheinlich habe ich zu viel Kuchen gegessen. Da bekomme ich immer Albträume . Langsam öffnete Helga Crewel ihre Augen wieder und war sich sicher, dass jetzt alles um sie herum wieder ganz normal war.
Doch sie irrte sich.
Selbst nach viel zu vielen Kuchenstücken dachte sich ihr Kopf nicht so etwas Schlimmes aus wie diesen ... Müll. Überall im Raum standen kitschige Sachen herum, die viel zu viel hart verdientes Geld kosteten. Auf einem Regal an der Wand standen Holzschnitzereien. Lauter Engel – einer wäre vielleicht angemessen, aber wer brauchte schon eine ganze Armee? Eine zerrupfte Stoffpuppe lag neben einer außergewöhnlich schönen, handbemalten Porzellanpuppe. Glassteine, Elfenbein, Knöpfe und Perlen füllten mehrere Glasbehälter, außerdem gab es Behälter mit Bändern und Kordeln. War sie bei einem Schneider gelandet?
Vielleicht. Ihr Todd war so ein guter Sohn. Im Zug war sie irgendwann schrecklich müde geworden, deshalb waren sie wahrscheinlich irgendwo ausgestiegen, damit sie sich ausruhen konnte. Ich muss völlig erschöpft gewesen sein. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich mein Nachthemd angezogen habe. Ihr Arm und Bein waren eingeschlafen. Jeden Moment würden ihre Gliedmaßen jetzt anfangen, heftig zu kribbeln. Um sich für diesen Moment zu wappnen, beschloss Helga schweren Herzens, sich umzudrehen und noch einen Moment liegen zu bleiben, bevor sie aus dem Bett aufstand.
Doch schon das Umdrehen war gar nicht so leicht. Überall lagen Kissen – selbst in ihrem Rücken, warum gerade da? Lächerlich, dass etwas so Leichtes wie das Umdrehen im Moment so schwierig schien. Ein Kronleuchter hing über ihrem Kopf. Nein. Oh nein. Bitte Gott, lass den nicht echt sein . Sie hob die Hand, um zu sehen, ob er wirklich da war, aber ihr Arm rührte sich nicht.
Wumms! Die Tür knallte gegen die Wand. Todd stürzte ins Zimmer, dicht gefolgt von einer schwarzhaarigen jungen Frau. „Ma. Ma!“ Er legte seine Hand unter ihr Kinn und kam so nahe, dass sie nichts anderes mehr sehen konnte. „Ma!“
Erst als sie das Brennen in ihrer Lunge spürte und tief einatmen musste, merkte Helga, dass sie die ganze Zeit geschrien hatte.
„Schschschsch. Ma. Alles ist gut.“
„Sie tun genau das Richtige“, sagte eine scharfe Stimme. „Panik bewirkt ...“ Die weiteren Worte der Fremden gingen in Helgas nächstem lauten Schrei unter.
Immer wieder
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