Rose Harbor und der Traum von Glueck
zu treffen. In einem oder zwei Tagen würde er aus ihrer beider Leben verschwunden sein – da lohnte es nicht, unnütz Schwierigkeiten heraufzubeschwören.
Michelle schien seine Gedanken zu lesen.
» Lassen Sie mich darüber nachdenken, okay? « , sagte sie zu Richard.
Der Kranke runzelte die Stirn. Ihre Antwort missfiel ihm offensichtlich, aber er war für den Moment zu erschöpft, um weiterzustreiten.
Sowie die Suppe warm war, goss Josh sie in einen tiefen Teller und trug sie ins Wohnzimmer. Fast rechnete er damit, dass Richard ihm das Tablett aus der Hand schlagen würde, doch er tat es nicht, schaute ihn nur missmutig an.
» Ich bin kurz weg, um etwas zu besorgen « , sagte er und griff nach seiner Jacke.
» Warte, ich komme mit. «
Er war schon fast an der Tür, als Michelle ihn einholte. Sie hielt ihren Mantel und ihre Tasche in der Hand.
Josh zögerte. » Meinst du wirklich, dass wir ihn allein lassen können? «
» Ja « , sagte sie schlicht und setzte hinzu: » Wo willst du hin? « , während sie neben ihm zu seinem Wagen ging.
» Richard braucht einen Rollator. «
Egal was kam, Josh würde in ein paar Tagen wieder abreisen, und Michelle konnte nicht jeden Tag nach dem Kranken sehen. Der aber würde binnen Kurzem so schwach sein, dass er sich ohne Hilfe gar nicht mehr würde bewegen können. Ein Rollator war zumindest eine kleine Unterstützung.
Michelle nickte und stieg in den Wagen, dann fuhren sie schweigend in Richtung Apotheke, wo er fündig zu werden hoffte.
» Was Richard über mich und Dylan gesagt hat … « Michelle zögerte. » Er bedeutete einmal die ganze Welt für mich. Ich war während meiner gesamten Highschoolzeit wahnsinnig in ihn verliebt. «
» Alle Mädchen in der Schule schwärmten ein bisschen für Dylan. Aus gutem Grund. Er war eine Sportskanone und dazu ein rundum netter Kerl. «
» Nein, das war er nicht « , entgegnete Michelle sanft.
Sie sprach mit leiser Stimme, und doch fesselte sie seine Aufmerksamkeit genauso sehr, als wenn sie gebrüllt hätte. Er wandte den Blick einen Augenblick lang von der Straße ab, um zu ihr hinüberzuschielen.
» Wie bitte? «
» Er war nicht so, wie du denkst. «
» Nein? «
» Ich habe es über zehn Jahre lang für mich behalten, Josh, aber jetzt werde ich es dir erzählen. «
Er hielt an einer roten Ampel an. » Mir was erzählen? «
» In der Oberstufe hatte Dylan Probleme im Englischunterricht, und dann mussten wir diese Referate schreiben, die über mögliche Vergünstigungen entschieden. «
» Ich weiß. Das war in allen Klassen so. Ich habe über Jim Ryun geschrieben, den ersten Schüler einer Highschool, der eine Meile unter vier Minuten gelaufen ist. «
Die Arbeit hatte eine Menge Recherchen erfordert, und zum Lohn für seine Mühe erhielt er eine gute Note.
» Wenn Dylan nicht mindestens ein Befriedigend bekommen hätte, wäre es das Aus für seine Zugehörigkeit zum Basketballteam gewesen. «
Ein altbekanntes Problem bei Dylan. Seine Noten ließen dramatisch zu wünschen übrig. Vor allem weil er dem Lehrstoff kein Interesse entgegenbrachte – für ihn gab es wichtigere Dinge als Stundenpläne und Hausaufgaben. Meist schaffte er die Versetzung so gerade eben. Erst hatte Teresa sich um ihn bemüht, später, als sie krank wurde, Josh.
» Ich habe das Referat für ihn geschrieben « , murmelte Michelle.
» Du? «
» Wir trafen eine Abmachung. Weil ich wusste, dass mich kein Junge zum Abschlussball einladen würde … «
» Michelle, das stimmt doch nicht, oder? «
Sie unterbrach ihn mit einem bitteren Lachen. » Mach dir nichts vor. Ich war das fetteste Mädchen des ganzen Jahrgangs … «
» Hat Dylan versprochen, mit dir zu dem Ball zu gehen? «
» Nein. « Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. » Niemand hätte geglaubt, dass Dylan ausgerechnet mich einladen würde … Nein, ein paar von uns unscheinbaren Mädchen beschlossen, uns ohne Partner auf den Ball zu wagen. Alles, was ich von Dylan wollte – alles, was er als Gegenleistung für das Referat erbringen sollte –, war ein einziger Tanz. Er willigte ein, und ich schrieb die Arbeit für ihn – mit genügend Rechtschreib- und Grammatikfehlern, damit Mrs. Chenard den Betrug nicht bemerkte. Dylan reichte das Referat ein und würdigte mich beim Ball keines einzigen Blickes. Dabei hatte ich wirklich nichts Unmögliches verlangt. Bloß einen lächerlichen Tanz. «
» Er hat seinen Teil der Abmachung nicht eingelöst? «
Obwohl Dylan sicher kein
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