Rose Harbor und der Traum von Glueck
war. Was gab es da auch zu sagen? So etwas passierte nun mal, nicht zuletzt in angespannten Situationen. Und mit einer solchen hatten sie es zweifellos zu tun. Was allerdings nicht bedeutete, dass man es noch komplizierter machen musste. Wahrscheinlich war es das Beste, die Küsse dem ganzen verrückten Tag zuzuschreiben und damit basta.
Das sagte sich so leicht, und in Wirklichkeit wusste Josh nicht einmal, ob er die wachsende Anziehungskraft zwischen ihnen wirklich ignorieren wollte. Und das lag nicht nur an ihrem sanften Wesen und ihrem gesunden Menschenverstand.
Michelle war bereits im Haus, als er eintraf. Kam ihm bereits aus der Küche entgegen.
» Er schläft noch « , sagte sie, bevor er danach fragen konnte.
» Bist du sicher, dass er schläft? «
Er rechnete fast damit, dass Richard, nur um ihn zu ärgern und ihm Schuldgefühle aufzubürden, nachts gestorben sein könnte. Aus reiner Bosheit sozusagen.
» Hattest du nicht gesagt, du würdest bis zum Morgen bleiben? «
» Richard ist letzte Nacht aufgewacht und hat mich mal wieder rausgeschmissen. «
» Womit fast zu rechnen war. « Sie schüttelte den Kopf, als ärgere sie sich über sich selbst. » Ich hätte dich nicht mit ihm allein lassen dürfen – das konnte nicht gut gehen. «
» Ist doch egal. Man kann es Richard so oder so nicht recht machen. Ach ja, er hat mir zudem strikt verboten wiederzukommen. «
Ein weiches Lächeln ließ ihre Augen leuchten. » Wie ich sehe, befolgst du Befehle nicht gern. «
» Seine bestimmt nicht « , sagte er grinsend. » Ich habe die Hoffnung trotz allem nicht aufgegeben, die Bibel meiner Mutter, ihre Kamee, ein paar Fotos und was weiß ich sonst zu finden. «
» Wo willst du sie suchen? « , fragte sie.
» Ich glaube immer noch, dass die Sachen im Schlafzimmer sind. «
Er nickte zur Tür hinüber. Bestimmt hatte Richard nach Teresas Tod ihre Habe zusammengepackt und irgendwo verstaut. Josh glaubte nicht, dass er die Sachen seiner Frau weggeworfen hatte – eher würde er sie hüten wie einen Schatz. Nur wo? Am naheliegendsten erschien ihm nach wie vor das ehemalige gemeinsame Schlafzimmer.
Michelle stöhnte. » Richard bekommt einen Anfall. «
» Wem sagst du das? « Josh graute ebenfalls vor einer weiteren Auseinandersetzung mit seinem Stiefvater.
» Ich werde ihn heute Morgen nach der Bibel deiner Mutter fragen « , versprach Michelle.
» Okay, probier’s mal. «
Josh bezweifelte sehr stark, dass Richard bereit war, ihm auch nur ein Stück auszuhändigen, das seiner Mutter gehört hatte. Als Problem kam hinzu, dass ihm die Zeit davonlief. An diesem Morgen hatte er eine SMS erhalten, die ihn über seinen nächsten Job informierte. Die Auftraggeber hatten bereits bei seiner Firma angefragt, ab wann er zur Verfügung stünde.
» Woran denkst du? « , unterbrach Michelle seine Gedanken.
Er riss sich zusammen. » Sorry, ich überlegte gerade, wie ich das Ganze am besten angehe. Lange kann ich nämlich nicht mehr bleiben. «
» Wie meinst du das? «
» Mein neuer Job wartet. Spätestens in ein paar Tagen muss ich weg. «
» So bald schon? «
Er nickte.
» Wohin? «
» Montana. « Er erklärte ihr, dass es sich um den Bau eines Einkaufszentrums in Billings handelte.
Die Enttäuschung in ihren Augen entging ihm nicht.
» Ich könnte nie wieder hier leben « , sagte er entschuldigend und hoffte, dass sie ihn verstand.
» Das würde ich nie von dir verlangen « , gab sie zurück.
» Ich tue für Richard, was ich kann, aber ich habe auch ein eigenes Leben. «
» Ich verstehe, Josh, wirklich, das tue ich. Es ist nur so, dass ich den Gedanken an einen Abschied hasse. «
Er wartete einen Moment, weil er glaubte, sie würde diesen Worten noch etwas hinzufügen.
Doch sie schwieg, und nach einer Weile erkannte er, dass er den Gedanken, sie zu verlassen, ebenfalls hasste. Nur wie sollte es anders gehen? Gar nicht. Trotzdem würde es deutlich schwieriger werden, als er es für möglich gehalten hätte.
Josh überlegte, woran das lag. Bestimmt nicht allein an Michelles unbestrittenen äußeren Reizen, denn hübsche Frauen gab es genug. Nein, irgendwas war anders mit ihr. In ihrer Gegenwart wurde sein Herz leicht, sodass er mit ihr selbst ein Zusammensein unter solch unangenehmen Umständen wie jetzt genoss. Mit ihr konnte er gleichermaßen reden wie schweigen. Leerlauf gab es keinen. Er mochte alles an ihr und wollte nicht mit ihren Gefühlen spielen – und dennoch sah er bei seinem Job keine Chance
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