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Rose Harbor und der Traum von Glueck

Rose Harbor und der Traum von Glueck

Titel: Rose Harbor und der Traum von Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
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wünschte sich insgeheim, er hätte sich ernsthafte Verletzungen zugezogen – vielleicht wären ihm dann die Vorwürfe erspart geblieben.
    » Du bist schon wieder mit deinen Gedanken ganz weit weg « , meinte Michelle.
    » Sorry. «
    » Kein Problem. «
    Und wirklich dachte Josh an etwas völlig anderes. Bevor der Unfall passierte, war alles so harmonisch gewesen. Richard und Teresa spazierten untergehakt am Strand entlang. Seine Mutter trug ein ärmelloses Sommerkleid, und der Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht. Richard, die Hosenbeine bis zu den Knien aufgekrempelt, wirkte entspannter, als Josh ihn je gesehen hatte. Beide waren barfuß. Das Lachen seiner Mutter klang zu ihm herüber und vermischte sich mit dem Gekreisch der über ihnen kreisenden Möwen. Und Josh freute sich von Herzen, wie vollkommen gelöst und unbeschwert glücklich Teresa zu sein schien. Es machte die Jahre vergessen, als sie verzweifelt mit einem Stapel unbezahlter Rechnungen am Küchentisch gesessen und weinend das Gesicht in den Händen verborgen hatte.
    Ja, er war Richard trotz all seiner Fehler und Ungerechtigkeiten dankbar, dass er das Glück in Teresas Leben zurückgebracht hatte. Nur wurde sie bald darauf krank und starb.
    Es klingelte an der Tür, und Michelle öffnete. Es war dieselbe Hospizmitarbeiterin wie am Tag zuvor.
    » Ich war bei einem anderen Patienten ganz in der Nähe « , erklärte Ginger, als sie über die Schwelle trat.
    Michelle nahm ihr Mantel und Tasche ab und hängte beides an die Garderobe hinter der Tür.
    » Wir trinken gerade Tee, möchten Sie eine Tasse? «
    » Danke, aber ich habe leider keine Zeit. Ich sehe rasch nach Mr. Lambert, dann muss ich weiter. «
    » Ich begleite Sie « , erbot sich Josh, um einen eventuellen Zornesausbruch von Richard auf sich zu lenken, bevor er seinen Zorn an der armen Ginger ausließ, doch Michelle gab ihm mit Blicken und Gesten zu verstehen, dass sie das übernehmen würde.
    Josh ließ sie gewähren. Ihr Verhältnis hatte sich merklich abgekühlt, seit er ihr erzählt hatte, dass er bald abreisen werde. Er tat ihr weh, das wusste er nicht nur, sondern bedauerte es von ganzem Herzen. Trotzdem wollte und konnte er Michelle nichts vormachen. Das Timing war schlecht und die Ausgangsbasis erst recht. Sie hier, er da und dort. Wie sollte so etwas funktionieren?
    Zudem durchlebten sie gerade eine sehr emotionsgeladene Zeit, in der einem die Gefühle bisweilen einen gewaltigen Streich spielten. Für ihn würde mit Richards zu erwartendem Tod die Ära Cedar Cove zu Ende gehen, und was danach kam, vermochte er nicht zu sagen. Nicht im Augenblick zumindest.
    Nachdenklich stand er im Flur und wunderte sich, dass er von Richard nichts hörte. Keine Klagen, kein Schimpfen. Schlief er noch, oder war er gar im Schlaf gestorben? Schließlich musste mit allem gerechnet werden.
    Richard tot.
    Ein merkwürdiges Gefühl überkam Josh. Trauer? Schmerz? Beides wäre wohl übertrieben, denn eigentlich sollte er froh sein, wenn es vorüber war. Für sich selbst und für Richard. Dennoch machte der Gedanke ihn betroffen.
    Josh versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie es gewesen war, als seine Mutter starb. Sie hatten natürlich gewusst, dass das Ende unmittelbar bevorstand, und bei ihr gesessen, jeder an einer Seite des Krankenhausbetts. Das Einzige, was sie verband, war die Liebe zu der sterbenden Frau in ihrer Mitte.
    Seine Mutter schlief, ihre Atmung wurde allmählich flach und unregelmäßig. Nach einem letzten Atemzug trat der Tod ein. Richard schaute zu Josh hinüber. Tränen strömten über sein aschfahles Gesicht, ein Ausdruck unsäglichen Schmerzes trat in seine Augen, und er flüsterte heiser: » Sie ist von uns gegangen. « Dann beugte er sich vor, stützte die Ellbogen auf das Bett und begann laut zu schluchzen.
    Josh hingegen war wie gelähmt. Empfand nichts. Keinen Kummer, keinen Schmerz, absolut nichts. Er hatte keine Träne vergossen oder erinnerte sich nicht mehr daran. Er wusste noch, dass eine Schwester den Kaplan holte und sie anschließend, nachdem Richard seine Fassung einigermaßen zurückgewonnen hatte, nach Hause fuhren. Ohne ein einziges Wort zu wechseln. Richard setzte Josh kommentarlos vor dem Haus ab und suchte allein einen Bestattungsunternehmer auf.
    Merkwürdig, wie alle diese Erinnerungen mit einem Mal zurückkamen. Wieso war er überhaupt beim Tod seiner Mutter gefühlsmäßig so unbeteiligt geblieben, während ihm Richards Sterben wider Erwarten zusetzte? Josh fand

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