Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
Diener zur Verfügung stand, trat Eleanor vor Harrison und ihrer Freundin in die Halle. Edward begrüßte sie ehrerbietig, dann wandte er sie zu Mary Rose und schnappte verblüfft nach Luft. »In der Tat, sie sieht aus wie das Porträt ihrer Mutter«, flüsterte er Harrison zu. »Sobald Lord Elliott sie sieht, wird er glauben, dass sie seine Tochter ist. Lady Agathas Ebenbild …«
Mary Rose, die seine Worte gehört hatte, hob erstaunt die Brauen. »Glaubt Lord Elliott denn nicht, dass ich seine Tochter bin?«
Verlegen senkte Edward den Kopf. »Er möchte es gern glauben, Mylady, aber er wurde schon so oft enttäuscht und wagt nicht mehr zu hoffen.«
Harrison schlüpfte aus seinem nassen Jackett und reichte es dem jungen Mann, dessen Bemerkung er nichts hinzuzufügen wusste.
»Jetzt brauche ich unbedingt ein heißes Bad«, verkündete Eleanor. »Seien Sie doch so freundlich und zeigen Sie mir mein Schlafzimmer, Edward. Wenn ich nicht bald aus diesen nassen Sachen herauskomme, werde ich mich erkälten.«
»Im Juli kannst du dich nicht erkälten«, versicherte Mary Rose ihrer Freundin. »Dafür ist es viel zu heiß.«
»Hast du noch nie von einer Sommergrippe gehört?«
Während sie nach oben gingen, zählte Eleanor alle Krankheiten auf, die sie in ihrem jungen Leben befallen hatten, und Mary Rose war dankbar für die Ablenkung. Jedes Mal, wenn sie Harrison anschaute, schien sich ihr Herz in einen flatternden Schmetterling zu verwandeln. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, weil sie sich so tief verletzt fühlte, und gleichzeitig geküsst, nachdem sie ihn so schmerzlich vermisst hatte.
Eleanor ließ sich von Edward ihr Zimmer zeigen, und Harrison ergriff die Hand seiner Frau, um sie in sein riesiges Schlafgemach zu führen, das in warmen Erdtönen eingerichtet war – braun und goldgelb und rostrot. Die Herbstfarben von Montana, dachte sie.
Obwohl sie es nicht wollte, fiel ihr Blick auf das gigantische Vierpfostenbett, und ihr Puls schlug schneller, als sie sich erinnerte, dass ihr Mann nackt zu schlafen pflegte. Das Blut stieg ihr in die Wangen. Nun musste sie sofort mit ihm reden, bevor sie den Mut verlor. Der Anblick dieses Betts drohte ihre Willenskraft zu lähmen.
»Bitte, Harrison, wir müssen miteinander reden.«
»Soeben hat er den Raum verlassen, Mylady. Soll Caroline ein Bad für Sie vorbereiten?«
Erschrocken drehte sie sich um und sah Edward auf der Schwelle stehen. »Wohin ist Harrison gegangen?«
»Wieder nach unten. Soll ich ihn holen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Danke, ich würde sehr gern baden. Warum nennen Sie mich Mylady?«
»Weil Sie Lady Victoria sind.«
Sie widersprach nicht, und Edward fragte, ob die Köchin einen Imbiss vorbereiten solle. Dann erklärte er, Eleanor habe eine Mahlzeit in ihr Schlafzimmer bestellt. Aber Mary Rose lehnte das Angebot ab. Sie war viel zu nervös, um auch nur ans Essen zu denken.
In der nächsten Stunde wurde sie von ihrer Zofe verwöhnt, und die Unterwürfigkeit des Mädchens brachte sie in Verlegenheit. Wann immer Caroline sie »Mylady« nannte, kam sie sich vor wie eine Thronfolgerin. Das heiße Bad beruhigte sie ein wenig, und sie lag in der Porzellanwanne, bis das Wasser erkaltete. Dann hüllte sie sich in ihren Morgenmantel.
Die Zofe beherrschte die englische Sprache nicht und benutzte Gesten, um zu erklären, sie würde gern Mary Roses Haar bürsten. Offenbar war die brünette Frau genauso nervös wie ihre Herrin, denn ihre Hände bebten. Da Mary Rose den fremdartigen Akzent erkannte, erwiderte sie auf französisch, sie würde ihr Haar lieber selbst bürsten. Doch das ließ Caroline nicht zu. Unentwegt schwatzte sie, während sie Mary Rose auf einen Stuhl drückte und mit einer Bürste durch die blonden Locken strich.
Das letzte Mal hatte jemand anderer Mary Roses Haar gebürstet, als sie ein kleines Mädchen gewesen war. Pfefferminzbonbons klebten in ihren Locken, und Cole musste sie mühsam entfernen. Seither hatte sie sich immer selbst frisiert. Und nun kam sie sich ziemlich albern vor, weil sie untätig dasaß und sich bedienen ließ.
Auf dem Bett lag eines ihrer Nachthemden. Die Decke war bereits zurückgeschlagen, eine langstielige rote Rose schmückte eins der Kissen. »Was soll diese Blume?«, fragte Mary Rose ihre Zofe.
»Ihr Gemahl hat befohlen, sie dahin zu legen, Mylady. War das nicht nett von ihm?«
Es war tatsächlich nett, und deshalb verblüffte es Mary Rose. Was für eine romantische Geste … So etwas sah Harrison
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