Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
Diener den Besucher erkannte, leuchteten seine Augen auf. »Wie schön, Sie wieder zu sehen, Mylord!«
»Ja, ich bin froh, dass ich wieder da bin. Wie geht es Lord Elliott und Ihnen?«
»Nun, wir haben die Skandale vermisst, die stets mit Ihren Kriminalfällen verbunden waren, Mylord. Nach Ihrer Abreise fanden keine nennenswerten Ereignisse statt. Wie ich zugeben muss, bereitet mir Seine Lordschaft Sorgen. Er arbeitet zu hart, und Sie wissen ja, wie eigensinnig und unvernünftig er sein kann. So eindringlich ich ihn auch ermahne, er will sich nicht schonen. Ich fürchte, er wird so weitermachen, bis sein Herz zu schlagen aufhört. Aber Sie werden ihn sicher aufmuntern, Mylord. Sie haben ihm sehr gefehlt.«
»Ist er oben?«
»Ja, Mylord, in der Bibliothek.«
»Ich hoffe, er ist allein?«
»O ja, und er erwartet Sie schon ungeduldig. Laufen Sie doch gleich hinauf.«
Auf halber Höhe der Treppe blieb Harrison stehen und drehte sich um. »Murphy, er wird einen Brandy brauchen.«
»Bringen Sie schlechte Neuigkeiten aus Amerika mit?« Beunruhigt runzelte der Butler die Stirn.
»Ganz im Gegenteil«, erwidere Harrison lächelnd. »Trotzdem wird er einen Brandy nötig haben. Steht eine Flasche in der Bibliothek?«
»Ja, Mylord, und ich bringe noch eine nach oben, nur zur Sicherheit. Dann können Sie beide sich betrinken.«
Harrison lachte. Noch nie hatte er Elliott auch nur angeheitert gesehen. Seine Lordschaft war viel zu gut erzogen, um etwas zu tun, das seine Selbstkontrolle oder Würde beeinträchtigen würde.
Rasch stieg Harrison die restlichen Stufen hinauf und betrat die Bibliothek. Elliott stand vor dem Kamin, eilte seinem jungen Freund entgegen und umarmte ihn. »Endlich bist du wieder da!«, rief er und schlug ihn liebevoll auf den Rücken. »Setz dich, und wenn wir dein juristisches Problem geklärt haben, musst du mir alles über dein Abenteuer in Amerika erzählen.«
Harrison wartete, bis Elliott Platz genommen hatte, ehe er in einen Sessel sank. Betrübt stellte er fest, wie müde sein Gönner aussah. Die Landluft hatte dem älteren Mann offenbar nicht gut getan, denn seine Wangen waren aschfahl. Dunkle Ringe – ein Zeichen seiner tiefen Trauer – umgaben die Augen.
Nach dem Tod seiner geliebten Agatha hatte er kein zweites Mal geheiratet, aber die Damen der Londoner Gesellschaft bedrängten ihn immer noch. Erstens war er schwerreich, zweitens sehr attraktiv mit seinem silbergrauen Haar und den aristokratischen Zügen. Auch seine staatsmännische Haltung wirkte imposant. Er entstammte einer einflussreichen Familie, verfügte über eine hervorragende Ausbildung und untadelige Manieren. Aber was viel wichtiger war – er besaß ein gutes Herz. Wie seine Tochter, dachte Harrison. Vielleicht hat er ihr all jene wundervollen Eigenschaften vererbt, die von ihren Brüdern gefördert wurden.
Zudem zeichnete ihn eine starke Willenskraft aus. Ein schwächerer Mann wäre nach dem Tod seiner Frau und dem Verlust des einzigen Kindes vermutlich zusammengebrochen. Aber Elliott bekämpfte seine Verzweiflung im Stillen und zeigte der Welt ein tapferes Gesicht.
Seit er sich von der öffentlichen Bühne des politischen Lebens zurückgezogen hatte, arbeitete er hinter den Kulissen, um Veränderungen zu bewirken. Ebenso wie Harrison kümmerte er sich um die Armen und vertrat die Ansicht, allen Menschen würden die gleichen Rechte zustehen.
»Ist es in Amerika Mode, kein Jackett zu tragen, mein Sohn?«
»Meine Jacketts passen mir nicht mehr«, antwortete Harrison lächelnd, »weil meine Schultern breiter geworden sind. Bevor ich mich der Öffentlichkeit präsentiere, muss ich einen Schneider aufsuchen.«
»Ja, du bist verändert, nicht nur äußerlich. Und nun zur Sache, mein Junge. Aber ehe wir deine juristische Angelegenheit erörtern, musst du mir etwas versprechen. Schluss mit der Suche!«
»Gewiss, ich gebe dir mein Wort.«
Zufrieden lehnte sich Elliott in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. »Also, erzähl mir von deinem juristischen Problem.«
»Um ehrlich zu sein, es gibt keins. Ich wollte nur sichergehen, dass wir ungestört miteinander reden können. Dein Privatsekretär soll nicht hören, was ich dir zu sagen habe.«
»Du willst George nicht dabeihaben?«, fragte Elliott und hob die Brauen. »Warum denn nicht? Du magst ihn doch. Seit Jahren arbeitet er für mich, fast so lange wie du. Verrat mir endlich, was dich bedrückt.«
»Er wird Ihnen gute Neuigkeiten mitteilen,
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