Rosen des Lebens
Pflicht hielt, bis zum Schluß zu bleiben, damit das Ballett ihretwegen nicht abgebrochen würde. Als es
endlich schloß, erhob sie sich, aber so wankend, daß Ludwig sie von einer Seite und Madame de Luynes von der anderen zuerst
stützen und dann beinahe tragen mußten, denn unterwegs wurde sie ohnmächtig und kam erst wieder zu sich, als sie gebettet
war. Vor Fieber zitterte sie am ganzen Leibe.
|227| Man rief die Ärzte. Sie disputierten eine ganze Weile, weil sie sich nicht klarwerden konnten, in welche Kategorie diese Art
Fieber einzuordnen sei. Als sie sich nicht einigen konnten, verzichteten sie darauf, der Krankheit einen Namen zu geben, und
versuchten sie durch Pillen, Diät und Schröpfen zu kurieren. Ich berichtete meinem Vater davon, der sofort zu Héroard eilte
und ihn anflehte, dem König vorzustellen, daß Schröpfen – eine italienische Scharlatanerie, die groß in Mode war, die sie
beide als einstige Studenten der Ecole de Médecine von Montpellier aber ablehnten –, die Kranke noch mehr schwäche, die durch
die verordnete strenge Diät bereits entkräftet war.
Aber Héroard fürchtete, aus seiner Rolle zu treten, wenn er sich gegen die Ärzte der Königin wandte, und die Ärmste wäre sicher
große Gefahr gelaufen, wenn sie nicht alle Mittel abgelehnt hätte, weil sie nur ihrem spanischen Arzt vertraute, den man ihr
aber kurze Zeit nach ihren Damen ebenfalls weggenommen hatte.
Der Hof wußte sich vor Verwunderung nicht zu lassen, als er sah, wie Ludwig bei dieser Gelegenheit seinen Gleichmut abwarf
und Ströme von Tränen vergoß, während er Tag und Nacht am Bett der Kranken wachte. Er ließ sie nicht aus den Augen, mal betete
er, mal flehte er Anna an, die ihr verordneten Mittel doch anzunehmen. Wie ich beobachtete, richtete er seine Gebete aber
nicht an den Herrgott, sondern an die Jungfrau Maria, wahrscheinlich weil er dachte, sie als Frau könne besser für die seine
eintreten. Er legte Unserer Lieben Frau von Lorette ein Gelübde ab und versprach ihr, wenn seine Gemahlin geheilt würde, eine
Statue aus massivem Gold nach ihrem Bilde und eine ebenfalls goldene Öllampe, um sie Tag und Nacht zu beleuchten. Und als
er am nächsten Tag meinte, Unsere Liebe Frau von Lorette sei vielleicht allein nicht stark genug, Anna vorm Tode zu bewahren,
richtete er dasselbe Gelübde samt demselben Versprechen noch an Unsere Liebe Frau von Liesse.
Das Gesicht nicht mehr undurchdringlich, sondern ganz verquollen und mit roten Augen von soviel Tränen und Wachen, bangte
mein armer König sechzehn Tage, bis seine Gebete erhört wurden. Am sechzehnten Tag sank das Fieber, Anna nahm ein wenig Nahrung
zu sich und schien endlich dem Leben wiedergegeben.
|228| Mein Vater, der alte Hugenotte, behauptete, in solchen reichen Opfergaben an die Gottheit liege etwas Heidnisches. Diese Heilung
sei aber vor allem ein Wunder der Liebe, sosehr hätten die arme kleine Königin die Zeichen der Zärtlichkeit gerührt, die Ludwig
ihr während ihrer Krankheit bewies. Und sie war überglücklich, Ludwig nicht mehr in Kälte und Majestät gepanzert zu sehen,
sondern so, wie er im Grunde war, empfindsam, liebevoll und von Entsetzen erfaßt bei der Vorstellung, sie zu verlieren. Anna
war ihm dafür unendlich dankbar, und ursprünglich, wie sie war, tat sie, was vor ihr wohl noch keine spanische Prinzessin
getan hatte: Sobald sie die Kraft dazu hatte, ergriff sie die Hände ihres Gemahls und bedeckte sie mit Küssen.
Hatte ein Fest mit der Krankheit der Königin geendet, feierte ein anderes ihre Genesung. Diesmal war es kein Ballett, das
am Hof gespielt wurde, sondern ein Ringelrennen auf der Place Royale, zu dem die Pariser zu Tausenden herbeiströmten. Es war
ein wunderschöner Maitag, die Reifröcke auf der Estrade, wo die Königin und ihre Damen Platz genommen hatten, schimmerten
in allen Farben. Zum Abschluß gab es ein Stechen, das Ludwig gewann, er hatte drei Ringe gewonnen. Daß der König nur gewinnen
konnte, versteht sich von selbst. Aber Henri Quatre errang meistens nur zwei Ringe, während Ludwig mit seinen drei nicht so
leicht zu schlagen war, nicht einmal von den besten Konkurrenten.
Der König stieg vom Pferd und sprach huldvolle Dankesworte zu Monsieur de Pluvinel, der für ihn und alles, was zum hohen Adel
gehörte, der Waffenmeister und Reitlehrer gewesen war.
»Sire«, sagte Pluvinel, »die Königin erwartet Euch. Beliebt mir zu folgen.«
Der König
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