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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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darum gegangen wäre, wer von beiden sich mehr mit seinem
     Äußeren brüsten könne, |223| es der Graf gewesen wäre. Er war groß, wohlgestalt, ein charmanter Kopf mit noch kindlich runden Wangen und schönen blonden
     Lockenhaaren, die ihm auf den Kragen niederwallten. Übrigens war auch die verwitwete Gräfin trotz ihrer Jahre noch sehr schön,
     nur war sie am Hof aus den genannten Gründen trotzdem mehr gefürchtet als geliebt.
    Endlich kam Berlinghen, die Serviette wie eine Monstranz in Händen, hinter ihm erschien die zweite Persönlichkeit des Reiches:
Monsieur,
der Bruder des Königs. In stillschweigender Übereinkunft fielen der Prinz und der Graf ins Knie vor dem derzeitigen Thronerben,
     solange Anna von Österreich Frankreich keinen Dauphin geboren hatte.
    »Was ist, Berlinghen«, sagte der König zu seinem Kammerdiener, der stocksteif stand und in alle Richtungen schaute, »die Serviette,
     bitte!«
    Berlinghen trat wie ein Automat vor Monsieur und überreichte ihm die Serviette, Monsieur gab sie mit einem Kniefall dem König.
     Und der König, ohne länger zu warten, legte sie sich um den Hals und begann vergnügt zu essen. Er hatte nur noch Augen für
     den Braten auf seinem Teller, auch wenn er ein bißchen kalt geworden war.
    Monsieur le Prince gestattete sich ein kleines Lächeln. Monsieur le Comte biß sich auf die Lippen. Der erste, weil er nicht
     verloren hatte, der zweite, weil sein Verlangen unausgesprochen abgeschmettert worden war. Ich bewunderte Ludwigs Feingefühl
     bei diesem salomonischen Urteil.
    Leider muß ich sagen, daß es ihm nichts nützte. Der Graf und seine Mutter fühlten sich ebenso beleidigt, als hätte Ludwig
     sie nicht mit solchen Samthandschuhen angefaßt. Als der Graf seiner Mutter berichtete, wie der Serviettenkrieg gegen Condé
     ausgegangen war, brach sie vor Schmerz, Wut und bitteren Rachegefühlen in Geschrei aus.
    Es war dies aber die Zeit, als die Königinmutter erneut überall bittere Klagen gegen ihren Sohn erhob: Kaum habe die Tinte
     auf dem Vertrag von Angoulême Zeit gehabt zu trocknen, da breche Ludwig ihn auch schon, sagte sie. Nicht einen einzigen Sou
     von den versprochenen sechshunderttausend Livres habe er ihr gezahlt, um sie für die Kosten ihrer Rebellion zu entschädigen.
     Er zahle ihren Dienern keine Pensionen mehr, und die königliche Armee versuche verräterisch, Épernon seine |224| Festung Metz zu nehmen. Und als wäre es mit diesen Verstößen nicht genug, habe Ludwig ihrer Regentschaft auch noch eine entehrende
     Mißbilligung erteilt, indem er den Prinzen Condé befreite.
    Obwohl die Vorwürfe, die die Gräfin von Soissons gegen den König erhob, nicht ganz soviel politisches Gewicht hatten, nagten
     sie ihr doch ebenso am Herzen. Welch schnöden Undank hatte schon Ludwigs Vater, Henri Quatre, ihrer Familie bezeigt! Er, den
     der selige Graf unabänderlich in seinem langen Kampf gegen die katholische Liga unterstützt hatte! Abgelehnt hatte er es,
     und was das Schlimmste war, unter Lachen abgelehnt, daß die Gräfin seinerzeit ihren Reifrock mit einer zweiten Lilienreihe
     ziere, um im Angesicht des Reiches zu bekunden, daß es immerhin einen Unterschied gab zwischen einer legitimen Prinzessin
     von Geblüt und der Frau eines legitimierten Bastards. Offenbar habe der Sohn die väterliche Grobheit geerbt, und dieser habe
     er auch noch die Heuchelei hinzugefügt, so zu tun, als verweigere er dem Grafen den Vortritt bei der Serviette nicht, während
     er sie ihm tatsächlich doch verweigerte.
    Die Gräfin von Soissons begann also,
urbi et orbi
die Rebellion gegen Ludwig zu predigen, als lauthallendes Echo auf die Anklageschriften der Königinmutter. Froh, ihrem müßigen
     Leben einen Sinn zu geben, pflichtete die Gräfin Maria vollkommen bei. Ein schlechter Sohn, ein schlechter König, das sprang
     ins Auge! Alle Großen, behauptete sie, seien durch die Zurechtweisung vor den Kopf gestoßen und beleidigt worden, die ihr
     Sohn in der Serviettenaffäre erleiden mußte. Es war Zeit, höchste Zeit, diesen König vom Thron zustoßen, der sie verachtete,
     und mit ihm seine gräßlichen Favoriten: Luynes, diesen Mann aus dem Nichts, und Condé, den Sohn eines schurkischen Pagen.
    Die leidenschaftliche Beredsamkeit der Gräfin fiel auf fruchtbaren Boden. Sie gewann ihren Schwiegersohn, den Herzog von Maine,
     dann den Herzog von Longueville, den Herzog von Vendôme, den Herzog von Retz, den Herzog von Montmorency und selbstverständlich
     den

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