Rosen des Lebens
Katholik, doch ohne große Liebe zum Papst, den Hugenotten nicht wohlgesonnen, ohne daß er sie
jedoch ausrotten wollte, für die Großen scheinbar voll Respekt und insgeheim voll Verachtung, aber vor allem ehern königstreu.
Er diente dem König mit ganzem Herzen, indem er zugleich seinen eigenen Interessen diente, und war jetzt überglücklich bei
dem Gedanken, vertraulich mit Seiner Majestät sprechen zu dürfen, ein Erlebnis, das er seinen Kindern und Kindeskindern in
allen Einzelheiten immer und immer wieder erzählen würde.
Da er mit feinem Gespür bemerkte, daß ich sehr neugierig war, zu erfahren, was sich derzeit in Angers abspielte, ihn aber
nicht rundheraus zu fragen wagte, um nicht dem König zuvorzukommen, begann er bereitwillig zu erzählen. Meine lässig hingeworfene
Frage: »Und wie steht es in Angers?« war dazu der Köder.
|231| »Schlecht«, sagte er. »Nicht daß es vorher allzu gut gestanden hätte, aber seit der Ankunft der Großen ist dort kein Zuckerschlecken
mehr. Sie werden die Finanzen der armen Königinmutter vollends ruinieren. Der Herzog von Vendôme spielt den Hahn im Korbe.
Ihr wißt ja, er hatte immer große Ambitionen. Weil Henri Quatre seiner Mutter, Gabrielle d’Estrées, ein Heiratsversprechen
gegeben hatte, meint er, daß er an Ludwigs Statt regieren müßte, der, wie er stets betont, sieben Jahre jünger sei als er.
Das heißt, er glaubt oder will glauben, ein Heiratsversprechen, auch wenn es nicht zur Ausführung gelangte, gehe über die
rechtsgültige Ehe Henris mit Maria von Medici und über zwei Sakramente, das der Ehe und das der Salbung. Vendôme ist also
kein Gelegenheitsrebell, er empört sich aus Prinzip im Namen seines Blutes. 1614 stand er gegen die Regentin auf. Jetzt verbündet
er sich mit ihr gegen ihren Sohn. Konsequent, nicht wahr?«
In dieser Analyse meinte ich ein Echo Richelieus zu vernehmen, und mein Interesse wuchs.
»Und was tat Vendôme«, fragte ich, »als er nach Angers kam?«
»Er drängte den jungen Grafen von Soissons, sich auf sein königliches Blut zu berufen, um Vorsitzender des Kronrats der Königin
zu werden.«
»Warum beanspruchte er diese Ehre nicht für sich?« fragte ich.
»Um es sich nicht mit einem echtbürtigen Prinzen zu verderben und vor allem nicht mit der glühenden Muse der Rebellion, der
verwitweten Gräfin von Soissons, die zur Furie wird, sobald es um ihr Junges geht. Außerdem erhält der Kronrat der Königinmutter
mit dem Grafen von Soissons, dem Zweiten Prinzen von Geblüt, an der Spitze eine gewisse Legitimität. Und was verschlägt es
Vendôme, diesem fünfzehnjährigen Grünschnabel den Vortritt zu lassen, wenn er hinter ihm desto besser alle Fäden ziehen kann?«
»Und wie zieht er sie?«
»Geschickt. Er hat die Räte für einen Antrag stimmen lassen, daß von nun der Mehrheitsbeschluß gilt, weil die Kriegspartei
im Rat weit stärker ist als die Partei des Friedens.«
»Und Richelieu, was macht er in dieser Lage?«
»Er ist machtlos: Die Mehrheitsregel lähmt ihn. Nicht, daß |232| sein Kredit bei der Königinmutter abgenommen hätte, aber er wird wie sie vom Strudel der Kriegsbefürworter fortgerissen. Nein
zu sagen, Vernunft zu predigen wäre jetzt eine Torheit. Er würde sich aufgeben, ohne daß es der Königin nützte.«
»Und was sagt er zu der Situation?«
»Daß sie einen Schein und eine Realität hat. Die Rebellion ist scheinbar stark, denn von der Normandie bis zum Languedoc ist
der gesamte Westen des Reiches in Aufruhr. In Wahrheit ist sie schwach, und der Grund dieser Schwäche …«
»Ich kenne ihn«, sagte ich. »Die Großen, die diese Regionen verwalten, sind am Hof von Angers, anstatt den Widerstand in ihren
Städten zu organisieren.«
»Hinzukommt«, fuhr Monsieur du Tremblay fort, »daß an diesem Hof die Eifersucht regiert, die Schwester der Zwietracht, die
alles verwirrt. Nur ein Beispiel: Vendôme wollte weder den Herzog von Maine noch den Herzog von Épernon, der ja immerhin militärische
Erfahrung hat, in Angers dulden. Die Königinmutter beauftragte die beiden Ausgestoßenen, Truppen für sie aufzustellen. Sie
gingen also, aber unwillig, so daß ich sehr erstaunt wäre, wenn man sie vor der Schlacht in Angers wiedersehen würde.«
»Und darf ich fragen, Monsieur, was Richelieu von diesem Zweiergespann hält, das den Kronrat beherrscht?«
»Daß der Graf von Soissons tapfer ist, aber nicht klug. Daß Vendôme klug ist, aber nicht eben
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