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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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erstieg die Stufen der Estrade, betrat die Loge der Königin, sie erhob sich, kniete vor ihm nieder, und als sie
     errötend aufstand, überreichte sie ihm einen goldenen Ring mit einem prächtigen Diamanten. Da tat Ludwig etwas, was niemand
     von seiner Prüderie noch von seiner scheinbaren Kälte je erwartet hätte. Er nahm die Königin in die Arme und küßte sie stürmisch
     vor aller Augen, und die Hofgesellschaft wie die Tausenden Pariser spendeten dem königlichen Paar lauten Beifall.
     
    Obwohl keiner der Großen es verschmerzt hätte, an diesem Ringelstechen nicht teilnehmen zu können, hörte das Komplott |229| gegen den König darum nicht auf. Und je länger es dauerte – ohne die geringste Vorsicht und Geheimhaltung –, desto größer
     wurde die Furcht, einer der Ihren könnte sie verraten. Wie gesagt, war der König über alles auf dem laufenden, aber wie sollte
     er reagieren, wenn die Herren gar nicht anfingen, das heißt, ohne ihn um Erlaubnis zu bitten, den Hof verließen und sich in
     ihre Gouvernements begaben.
    Nicht schlechter unterrichtet war Ludwig über die Vorgänge in Angers bei der Königinmutter, wo die Kriegspartei von Tag zu
     Tag an Boden gewann. Der König, der nach der Genesung der Königin die beiden goldenen Standbilder für Unsere Lieben Frauen
     von Lorette und von Liesse bestellt und auf Heller und Pfennig bezahlt hatte, wußte sehr wohl, daß der Hauptklagegrund der
     Königinmutter gegen ihn jene versprochenen sechshunderttausend Livres betraf. Aber wie konnte er sie ihr zahlen, ohne befürchten
     zu müssen, daß sie mit diesem Gold Truppen gegen ihn rüstete?
    Bei Hof empfing der König die Großen weiterhin mit seiner undurchschaubaren Höflichkeit, aber seltsam, sein Gleichmut, den
     sie doch nun gut kannten, flößte ihnen immer mehr Verdacht und Argwohn ein. Dieser Heuchler, murrten sie, warum sagt er nichts?
     Je mehr er schwieg, desto lauter sprach sein Schweigen statt seiner. In schlaflosen Nächten erschien es ihnen unmöglich, daß
     er von ihren Machenschaften nichts wußte. Sie sahen sich schon im Louvre oder daheim plötzlich von Praslin und seinen Soldaten
     umstellt, ihrer Ehren und ihrer Gouvernements enthoben, ihrer Pensionen, ihrer Ländereien und Schlösser verlustig und für
     zwölf endlose Jahre in der Bastille eingekerkert wie der Comte d’Auvergne.
    Panik überkam sie. Die ersten, die sich davonmachten, waren die Herzöge von Vendôme und von Longueville, doch ohne irgend
     jemanden zu benachrichtigen. Sobald ihr Aufbruch bekannt wurde, stürzten die anderen Verschwörer hinterdrein wie Panurges
     Hammel: der Herzog von Maine, der Graf von Soissons, die verwitwete Gräfin von Soissons, der Herzog von Nemours, der Herzog
     von Retz, der Herzog von Montmorency. Im Nu war Paris um die Hälfte seiner Großen gebracht.
    Sie suchten ihre Gouvernements auf und rüsteten ihre Städte gegen den König. Dort blieben sie aber nicht, die Verteidigung
     der Mauern überließen sie ihren Leutnants. Alle, außer Longueville, |230| eilten nach Angers zur Königinmutter. Ohne einen Hof mit seinen Intrigen, ohne einen Kronrat mit seinen Kabalen konnten sie
     nicht leben, und hatten sie dort auch keinen König, ließ sich doch der Königin Geld aus den Taschen ziehen unter dem Vorwand,
     Truppen zu ihrer Verteidigung auszuheben.
    Der Bruder des Paters Joseph, Monsieur du Tremblay, der im ersten Krieg zwischen Mutter und Sohn auf königlichen Befehl nach
     Avignon gereist war, um Richelieu zu holen, und der ihm nach Angers gefolgt war, nahm Mitte Juni Urlaub von der Königin. Und
     in Paris angelangt, besuchte er mich im Louvre und erbat sich meine Fürsprache, um beim König vorgelassen zu werden. Er hatte
     ihm neueste Nachrichten über die Vorgänge im Gouvernement der Königinmutter mitzuteilen.
    Ich kannte Monsieur de Tremblay von mehreren Begegnungen und schätzte ihn als ein Musterbild unseres Amtsadels. Nur, jedesmal
     wenn ich ihn sah, verwunderte mich seine Unähnlichkeit mit Pater Joseph. Es war kaum zu glauben, daß beide dieselben Eltern
     gehabt haben sollten. Der Mann, den ich vor mir sah, war groß, füllig und trug einen nicht geringen Bauch vor sich her, und
     sein großes Gesicht war kupferrot. Ganz zufrieden mit seiner irdischen Existenz, begehrte er nicht mehr, als behaglich mit
     seiner Familie in seinem schönen Schloß Tremblay zu leben: nicht verschwenderisch, nicht geizig, barmherzig, doch ohne Übertreibung,
     gegen Gewalt und Unordnung,

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