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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ponts de Cé war die einzige zwischen Nantes und Amboise über
     die Loire. Also war es ebenso entscheidend für den König, sie zu erobern, wie für die Königinmutter, sie zu verteidigen und
     ohne sie konnte sie auch die Verstärkungen nicht erhalten, die sie sich aus dem Angoumois erhoffte. Diese Verstärkungen hatten
     die Herzöge von Maine und von Épernon für sie versammeln sollen.
    Als ich später das Privileg hatte, Richelieu besser kennenzulernen, war einer der Züge, die ich am bemerkenswertesten an ihm
     fand, seine außerordentliche Fähigkeit, zwei oder drei Dinge gleichzeitig zu betreiben. So gab er mir eines Tages die großen
     Linien eines Briefes vor, den ich für ihn auf deutsch an einen lutherischen Fürsten schreiben sollte, und während ich das
     von ihm Gesagte zu Papier brachte, diktierte er Charpentier, seinem Handsekretär, eine Darstellung des ›Ulks von Ponts de
     Cé‹ und warum die Großen dort eine so schnelle und radikale Niederlage erlitten. Diese Analyse dünkte mich so klar und überzeugend,
     und sie zeigte ein so erstaunliches Verständnis des Krieges bei einem Prälaten, daß ich nur lauschen konnte und meine deutsche
     Übersetzung darüber vergaß. Natürlich bemerkte es der Kardinal, tadelte mich aber nicht, |237| denn er war sich seiner Gaben sehr bewußt und verschmähte es durchaus nicht, sich dafür bewundern zu lassen.
    Soweit ich mich seiner Ausführungen entsinne, kritisierte er sowohl die Vorbereitung des Kampfes wie auch seinen Verlauf.
     Den ersten Fehler des Herzogs von Vendôme sah er darin, daß er einen Graben von zwei Meilen Länge zwischen Angers und Ponts
     de Cé ausheben ließ. Dieser Graben war viel zu lang, erstens, weil man sehr wahrscheinlich keine Zeit haben würde, ihn fertigzustellen,
     bevor die königliche Armee eintraf, und zweitens, weil man nicht genug Männer hatte, ihn zu besetzen. Besser wäre es gewesen,
     die Mauern von Angers zu verstärken, und dann einen guten Graben nur am Kopf der Brücke von Ponts de Cé zu bauen.
    Die Rebellen verfügten über einige hundert Berittene, die der Herzog von Vendôme seinem Bruder, dem Großprior, unterstellte.
     Dieser wartete nun, daß sein Bruder ihm den Befehl zum Angriff gebe. Der Befehl kam nicht. Die ganze Reiterei, die mindestens
     so stark wie die königliche war, gelangte gar nicht zum Einsatz. Natürlich hätte der Großprior von sich aus eingreifen müssen,
     als die Dinge sich für die Infanterie zum Schlechten wendeten. Offenbar dachte er nicht daran.
    Entscheidend für die Niederlage war jedoch der Abfall, um nicht zu sagen, der Verrat des Herzogs von Retz. Sowie gemeldet
     wurde, die königlichen Truppen seien im Anmarsch, sprang er vom Pferd. Mit allem Anschein der Tapferkeit ging er allein nach
     vorn, ihre Stärke zu überschauen. Als er zurückkam, wich sein Mut dem Zorn, fluchend und wetternd schrie er in alle Richtungen,
     man wolle sie auf dem Schlachtfeld opfern, während in den Mauern um Frieden geschachert werde. Daran war etwas Wahres, und
     seine Worte trugen nicht dazu bei, die Herzen derer aufzurichten, die ihn hörten. Er rief seine Truppen von den Gräben zurück,
     befahl ihnen kehrtzumachen, sprengte an ihrer Spitze durch die Stadt Ponts de Cé und verschwand. Damit verloren die Rebellen
     eintausendfünfhundert Mann, ihre Truppenstärke war um ein Drittel vermindert.
    Wie groß war die Verblüffung in den vordersten Abteilungen des königlichen Heeres, als sie mit eigenen Augen sahen, wie ein
     Großteil der Gräben auf der anderen Seite von Gewehren und Bajonetten geräumt wurde. Sie meldeten es dem Marschall von Créqui.
     Der rief sofort zum Sturm und stürzte |238| die Feinde in eine Konfusion, daß alles drunter und drüber ging.
    Da faßte der Herzog von Vendôme einen heldenhaften Entschluß. Nicht daß er der Reiterei den Befehl zur Attacke gab, er benachrichtigte
     auch seine Offiziere nicht. Er sprang in den Sattel und preschte im Galopp nach Angers. Er drang in die Gemächer der Königin
     vor und meldete ihr als erster die Auflösung ihrer Truppen, indem er im Ton eines Tragöden ausrief: »Madame, ich wollte, ich
     wäre tot!«
    Seine Tochter, die mit der Königin im Gespräch war, erwiderte: »Herr Vater, wenn Ihr das wolltet, hättet Ihr Euren Platz nicht
     verlassen.«

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    |239| ZEHNTES KAPITEL
    »Monsieur, auf ein Wort.«
    »Schöne Leserin, ich höre.«
    »Sie sagten, dem Herzog von Longueville wurde vergeben.«
    »Richtig.«
    »Und den

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