Rosen des Lebens
passiert, auf dem laufenden. Monsieur de Saint-Clair schreibt mir oft, besonders seit er verliebt ist.«
»Er ist verliebt? In wen?«
»In Laurena de Peyrolles, die Tochter eines reichen Nachbarn.«
»Wenn sie reich ist, nimmt sie ihn nicht.«
»Monsieur de Saint-Clair ist ein schöner junger Mann.«
»Aber ein nachgeborener, ohne Titel, ohne Land.«
»Aber immerhin Schwertadel, und der Vater der Schönen ist Amtsadel.«
»Sie meinen, das genügt?«
»Wer weiß? Vielleicht können Sie sich bald an einer Hochzeit ergötzen. Ich jedenfalls gehe mit dem König erst einmal nach
Pau 1 .«
»Nach Pau? Was will er denn in Pau?«
»Gegen Widersetzlichkeit und Ungehorsam der Protestanten im Béarn einschreiten.«
|242| »Widersetzlichkeit und Ungehorsam! Habe ich recht verstanden? Wo sind Ihre Sympathien für die Hugenotten hin?«
»Die habe ich wie eh und je. Trotzdem sehe ich, wie unvernünftig sie sich aufführen. Sie bekämpfen die königliche Macht, die
ihnen Schutz gibt! Sie verletzen das Edikt von Nantes 1 , dem sie alles verdanken! In ihrer Torheit suchen sie sogar Beistand beim spanischen König. Beim spanischen König, Madame, dem
mächtigsten Arm der Gegenreformation in Europa!«
»Ich fasse es nicht: Die Protestanten sind gegen das Edikt, das sie schützt?«
»Nicht alle, nur die im Béarn und in Navarra, obwohl sie von den anderen unterstützt, wenn nicht nachgeahmt werden. Genauer
gesagt, nehmen die Béarnaiser die Freiheiten und Sicherheiten des Edikts in Anspruch, verweigern aber dessen Verpflichtungen.«
»Welche Freiheiten und Sicherheiten?«
»Das Edikt garantiert den Protestanten Gewissens- und Glaubensfreiheit und gewährt ihnen gut hundert Festungen, deren Garnisonen
– o Paradoxon! – vom französischen König bezahlt werden. Damit hat er sich einen Staat im Staate geschaffen, und zwar einen,
der ihm gegebenenfalls bewaffneten Widerstand leisten kann.«
»Und woher kommt die sonderbare Verfügung?«
»Sie wurde getroffen, um den Protestanten Sicherheit zu geben, nachdem sie ein halbes Jahrhundert furchtbar verfolgt worden
waren. Aber mit der Zeit ist sie zur Achillesferse dieses hervorragenden, so menschlichen Edikts geworden, das erstmals die
friedliche Koexistenz zweier einander hassender Kirchen garantieren sollte, die doch zum selben Gott beten.«
»Und die Verpflichtungen?«
»Die Protestanten sollen dort, wo sie die Mehrheit und die Macht haben, Kult und Güter der Katholiken respektieren.«
»Und, wenn ich Sie recht verstehe, tun die Protestanten im Béarn und in Navarra das nicht?«
»Nein, Madame. Dort hält sich ein beklagenswerter Zustand: |243| Die Großmutter unseres Ludwig, Jeanne d’Albret, Königin von Navarra, Prinzessin von Béarn und eine fanatische Hugenottin,
hat vor gut fünfzig Jahren die katholische Religion in ihren Ländern verboten, die Besitztümer der katholischen Kirche beschlagnahmt
und den Pastoren gegeben.«
»Und dieser Zustand konnte ein halbes Jahrhundert andauern?«
»Ja. Trotz Henri Quatre, trotz der Regentin und obwohl der Papst die Abschaffung dieser Mißstände zur Bedingung
sine qua non
gemacht hatte, als er die Exkommunizierung Henri Quatres aufhob. Henri versprach es, konnte sein Versprechen aber nicht halten.
Wie hätte er auch? Béarn und Navarra, das war seine geliebte Heimat: Wie hätte er sie mit Gewalt zum Gehorsam zwingen können
im selben Moment, wo er das Bündnis mit den protestantischen Fürsten Europas suchte, um den Würgegriff der Habsburger zu sprengen?«
»Und die Regentin, nachdem er tot war?«
»Maria, ach! Sie hatte nicht die Kraft dazu, sosehr es sie als Habsburgerin, strenggläubige und papsttreue Katholikin auch
reizte.«
»Und Ludwig?«
»Ludwig beschloß nach dem ›Ulk‹ von Ponts de Cé, es nicht dabei bewenden zu lassen, sondern gleich noch die rebellischen Protestanten
von Béarn und Navarra in die Knie zu zwingen. Es wurde verhandelt. Aber diese fanatischen Hugenotten der Pyrenäen leben so
fern von Paris, daß sie sich wer weiß was dünkten. Weder wollten sie den katholischen Kult wieder zulassen noch der Geistlichkeit
die geraubten Habe zurückgeben. Navarra und Béarn, behaupteten sie, seien souveräne Länder, sie bräuchten das Edikt von Nantes
nicht einzuhalten. Dieser Widersetzlichkeit überdrüssig, entschied Ludwig: ›Mar schieren wir hin‹, sprach’s und drückte seinen Hut in die Stirn. Zu der Zeit weilte er in dem reizenden Schlößchen
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