Rosen des Lebens
Plessis-les-Tours,
das ihm aus mehreren Gründen lieb war. Dort hatte viele Jahre Ludwig XI. gelebt. Dort hatte sein Vater sich mit Heinrich III.
gegen die Liga verbündet. Und er hatte dort als Knabe tagelang bei Regen und Wind eine Festung aus Lehm gebaut.«
»Und Héroard legte ihm, weil er so vertieft in sein Werk war, daß er auf das Wetter gar nicht achtete, einen Mantel um die
Schultern, und Ludwig warf ihn unwillig ab.«
|244| »Sie behalten auch alles, Madame! Aber wissen Sie, welche Überraschung Ludwig erwartete, als er nach Plessis-les-Tours kam?
Raten Sie!«
»Wie könnte ich!«
»Er fand dort seine kleine Königin, die am Vortag von Paris eingetroffen war. Er sprang vor Freude in die Höhe, umarmte sie
und küßte ihr hübsches Gesicht, und auf der Stelle erzählte er ihr, seine Karten in der Hand, die ›drôlerie‹ von Ponts de
Cé und wo er seine Truppen einquartiert hatte.«
»Die Ärmste muß ja vor Langerweile gestorben sein!«
»Oh, nein. Sie starb nicht vor Langerweile, weil sie ihm gar nicht zuhörte. Sie sah ihn nur an, überglücklich über seinen
zärtlichen Empfang.«
»Monsieur, ohne von unserem ernsten politischen Feld ins Anekdotische abschweifen zu wollen, aber darf ich fragen …«
»Sie dürfen, schöne Leserin. Am selben Abend teilte Ludwig das Lager der Königin.«
»Und Héroard am nächsten Morgen?«
»Er machte die Geste, auf die Sie hinauswollen, ja. Aber das ist gar nicht so anekdotisch, wie Sie meinen. Es ist wiederum
Politik. Denn wenn wir nicht bald einen Dauphin bekommen, wird Monsieur 1 , ein haltloser junger Mensch, aber bislang der rechtmäßige Thronfolger, zum Mittel- und Angelpunkt endloser Intrigen werden, in denen die Königinmutter die Hände hat. Doch
greifen wir nicht vor, unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten genügen.«
»Und das wären?«
»Dieser Marsch nach Navarra und Béarn, wie ich schon sagte, um die widersetzlichen Hugenotten zur Vernunft zu bringen. Und
nun erlauben Sie, Madame, daß ich meine Erzählung aufnehme, wo ich stehengeblieben war.«
***
Am fünfzehnten Oktober zog Ludwig in Pau ein. Es war das erste Mal, daß er diese wunderbare Stadt sah: ein lauer Balkon unterm
ewigen Schnee. Und wie viele Dinge drängten sich da |245| in seinem Gedächtnis! Hier war sein Vater geboren. Karl IX., der Schlächter der Bartholomäusnacht, hatte die Stadt 1568 erobert.
Im Jahr darauf eroberte sie Ludwigs Großmutter, Jeanne d’Albret, dank Montgomérys Sieg bei Orthez zurück. Unser Henri, damals
sechzehn Jahre alt, war zum Glück für sein zärtliches Gemüt nicht dabei, denn nun ließ seine Mutter die katholischen Anführer,
die Montgoméry gefangengenommen und aufs Schloß gebracht hatte, erbarmungslos abschlachten.
Der Widerstand von Béarn und Navarra, der von weitem so entschlossen ausgesehen hatte, brach zusammen, als der König mit seinem
Heer erschien. Die versammelten Ratsherren entschuldigten sich im Schloßhof von Pau für ihren Ungehorsam und erklärten, was
sie so viele Male schriftlich abgelehnt hatten: das Edikt nun mehr einzuhalten. Sie versprachen, den katholischen Kult wieder
zuzulassen, der Geistlichkeit ihren Besitz herauszugeben, und sie akzeptierten die Angliederung von Béarn und Navarra an die
Krone.
Zwei Tage später nahm Ludwig die kleine Feste Navarrenx, die den Zugang zu Pau verteidigte. Die kleine hugenottische Garnison,
die seine Großmutter dort eingesetzt hatte, mußte abmarschieren, und Ludwig ersetzte sie durch eine Abteilung seiner Soldaten.
Binnen fünf Tagen war das Problem Béarn und Navarra geregelt. Am Morgen des einundzwanzigsten Oktober konnte Ludwig von Pau
aufbrechen.
Am fünfundzwanzigsten war er in Bordeaux. Am siebenten November stand er vor den Toren von Paris.
Niemand hätte es für möglich gehalten, daß man diese lange Reise von Pau nach Paris in knapp vierzehn Tagen machen konnte.
Allerdings saß Ludwig öfter im Sattel als in seiner Karosse und ließ Gepäck, Minister, Kronrat und Garden weit hinter sich.
Jeder, der es sich wie ich zur Ehre anrechnete, ihm auf diesem tollen Ritt zu folgen, bekam davon, um es gascognisch auszudrücken,
Schwielen an den Hinterbacken. Aber Ludwig, der hervorragende und abgehärtete Reiter, schien von Unbequemlichkeiten nichts
zu merken. Was scherten ihn Sonne, Regen, Hagel oder Wind! Gerade nur, daß er einwilligte, an den Etappen seine nassen Kleider
und durchgeweichten Stiefel zu wechseln. Warum er so
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