Rosen des Lebens
mußte. Und auf einmal ganz Zärtlichkeit für die schönen jungen Liebenden, wünschte sie glühend, daß diese
Hochzeit zustande käme.
Das Essen war auf halb zwölf Uhr angesetzt. Pfarrer Séraphin traf mit meiner Karosse als erster ein. Seine Nichte, falls die
schmucke Person, die sein Haus führte, seine Nichte war, hatte es sich angelegen sein lassen, den robusten Mann ordentlich
zu säubern. Er war anständig rasiert und gekämmt, und kein Fleck entehrte seine neue Soutane, die er meiner Freigebigkeit
verdankte. Als er sah, daß auch ich mich sorgfältig gekleidet und sogar mein Ordenskreuz angelegt hatte, um Monsieur de Peyrolles
Ehre zu erweisen, begriff mein Séraphin, daß dieses Mahl einige Feierlichkeit haben würde. Sogleich nahm sein rotes Gesicht
eine zurückhaltende, ja unterwürfige Miene an. Ich bot ihm Platz, und während wir auf Monsieur de Peyrolles warteten, der
meines Erachtens fünf oder zehn Minuten später eintreffen würde, um seine Bedeutung zu betonen, ließ ich dem guten Pfarrer
Wein einschenken und fragte ihn, was es im Dorf Neues gäbe.
Doch kaum tat er den Mund auf, trat Monsieur de Saint-Clair herein, schön, wie ein Mädchen sich einen jungen Mann nur erträumen
kann, aber sehr blaß.
»Saint-Clair«, sagte ich, »trinkt einen Schluck Burgunder und reibt Eure Wangen! Ihr seid ganz bleich. Und wahrhaftig, vertraut
mir nur! Bald könnt Ihr Hochzeit feiern.«
Als ich Pfarrer Séraphin nun nach seinen Schäfchen fragte, hörte ich, daß es auch im Dorf um eine Heirat ging. Die Marion,
sagte Séraphin, habe, wie man so sagt, Ostern vor Palmsonntag gemacht. Und er wisse nicht, sollte er Figulus morgen zu ihrer
Hochzeit die Glocken läuten lassen oder nicht?
»Wer in Orbieu weiß, daß sie dem Sakrament vorgegriffen hat?«
»Bis eben nur ich, Herr Graf, jetzt auch Ihr und Monsieur de Saint-Clair.«
»Dann gönnt der armen Marion ruhig die Glocken!« sagte ich. »Sonst erfährt noch das ganze Dorf von ihrem Fehltritt, |257| und wer weiß, ob das den anderen Mädchen, die auf einen Mann warten, nicht ein schlechtes Beispiel wäre?«
Dieses Argument überraschte Séraphin. Er hatte gedacht, das gute Beispiel gäbe man durch das Gegenteil, doch wollte er sich
der Meinung des Herrn gerne beugen. Und am nächsten Tag bekam die Marion ihre Glocken und von mir ein Geschenk.
Prächtig anzusehen in meiner Livree, trat La Barge herein und meldete, die Karosse von Monsieur de Peyrolles fahre an unserer
Freitreppe vor.
»Und«, fragte ich, »wie ist die Karosse?«
»Vergoldet, Herr Graf«, sagte la Barge mit einem Lächeln.
Dieses kleine Lächeln spielte auf das für jedweden Untertanen gültige Verbot an, seine Karosse vergolden zu lassen, das die
Regentin zu ihrer Zeit erlassen hatte. Sie, die sich an Prunk nicht genug tun konnte, wollte den Luxus nur für sich.
Sogleich begab ich mich, wenn auch ohne Hast und mit einem Anflug von Hoheit auf die Schloßtreppe, um Monsieur de Peyrolles
und seine Tochter zu empfangen. Für diesen Empfang hatte ich ein sorgfältiges Protokoll aufgestellt. Zwei Lakaien in meiner
Livree klappten den Tritt aus (natürlich hätte auch einer gereicht, aber, wie die Herzogin von Guise gesagt hätte, nur einer
wäre knauserig erschienen). La Barge, der den
maggiordomo
zu spielen hatte, öffnete den Kutschenschlag und hielt ihn offen. Nun trat Monsieur de Saint-Clair vor, indem er seinen Hut
zog, und half Monsieur de Peyrolles, seiner goldenen Kutsche zu entsteigen. Hierauf sollte er seine Rechte der Tochter reichen,
während sie mit der linken Hand graziös den Saum ihres Reifrocks raffte, um sich nicht in seinen Falten zu verfangen, wenn
sie den Tritt herabstieg.
Sie aber tat, als sähe sie Saint-Clairs ausgestreckte Rechte nicht, was ihren Vater, als er sich nach ihr umwandte, sehr zu
befriedigen schien. Er wäre es weniger gewesen, hätte er den raschen Blick gesehen, den seine Tochter hinter seinem breiten
Rücken ihrem Anbeter zuwarf.
Nun stieg Monsieur de Peyrolles, gefolgt von seiner Tochter, die ihre Augen auf die wallenden Falten ihres Reifrocks gesenkt
hielt und der wiederum Monsieur de Saint-Clair folgte, die Freitreppe herauf, wo ich ihn mit zugleich würdevoller und freudiger
Miene erwartete. Was gar nicht so leicht zu vereinen war: würdevoll, wie es dem Grafen von Orbieu, dem Ersten |258| Kammerherrn, Ritter vom Heilig-Geist-Orden und Herrn eines großen Besitzes geziemte, und freudig, weil ich
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