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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Peyrolles derweise den menschlichen Seiten der Sache geopfert hatte, kam er zum Eigentlichen.
    »Dennoch«, sagte er, und seine Stimme wurde höher und |260| deutlicher, »gibt es bei der Angelegenheit einige Schwierigkeiten. Ich gebe meiner Tochter eine Mitgift von hunderttausend
     Livres. Eine Mitgift in dieser Höhe würde sie zu einem Anwärter berechtigen, der ein bedeutendes Amt innehat, etwa ein Gerichtsrat
     oder ein Rechnungsrat, der es mit einigem Geschick auf ein jährliches Einkommen, sagen wir, nicht unter der Hälfte der Mitgift
     meiner Tochter bringen könnte. Ich weiß, daß Monsieur de Saint-Clair von Euch einen bestimmten Anteil am Gewinn Eures Gutes
     erhält, aber das ist ein unsicheres Einkommen, das in keinem Fall die von mir genannte Höhe erreicht.«
    »Aber Monsieur de Saint-Clair entstammt einer sehr alten Adelsfamilie«, sagte ich.
    »Die ich hoch respektiere«, sagte Monsieur de Peyrolles mit einer erneuten Verneigung. »Nur leider hat Monsieur de Saint-Clair
     keinen Titel. Und das ist sehr schade, denn beinahe hätte sein Vater, der unter Henri Quatre Gardeleutnant war, aus den Händen
     des seligen Königs eine Baronie erhalten.«
    »Monsieur«, rief ich verblüfft, »woher wißt Ihr das? Und wie ging das zu?«
    »Monsieur de Saint-Clair übergab mir freundlicherweise seine Papiere. Und darunter befindet sich ein Brief Henri Quatres an
     seinen Vater. In diesem Brief lobte der selige König seine Tapferkeit, als er während der Belagerung von Paris einen Überraschungsangriff
     des Chevaliers d’Aumale auf Saint-Denis abwehrte.«
    »Monsieur«, sagte ich voller Staunen, »wie bewundernswert bescheiden war Monsieur de Saint-Clair! Nie hat er mir ein Wort
     von diesem Brief gesagt! Andere an seiner Stelle hätten sich damit überall gebrüstet!«
    »Wenn Ihr ihn lesen wollt, Herr Graf«, sagte Monsieur de Peyrolles. Damit entnahm er den Brief, ohne meine Antwort abzuwarten,
     einem großen Portefeuille aus schwarzem Leder und überreichte ihn mir.
    Respektvoll ergriff ich das Dokument. Sofort suchte mein Auge am Fuß des Textes Henris Unterschrift, die ich ja aus meiner
     Zeit als sein Dolmetsch bestens kannte. Es bestand kein Zweifel, dies war tatsächlich seine Hand, kühn und rasch. Und auch
     der Text, den er zweifellos auf und ab gehend diktiert hatte, trug seine Prägung, diesen unnachahmlichen Ton rauher Vertrautheit,
     den er gegenüber seinen Soldaten anschlug.
    |261| »Wackerer Saint-Clair,
    wie ich höre, hast du dich bei Saint-Denis wie ein Löwe geschlagen und eine Kugel abgefangen, die dir die Brust durchlöchert
     hat. Nun, genese schnell, Saint-Clair, und komm zurück in meine Garde! Dort findest du eine Baronskette und etwas, wovon du
     dir eine Hauptmannsstelle kaufen kannst.
    Henri«
     
    »Aber«, sagte ich, indem ich aufschaute, »wie kommt es, daß Henri nicht Wort gehalten hat?«
    »Er konnte es nicht, Leutnant Saint-Clair kehrte nie zur Garde zurück: er starb an seiner Verwundung.«
    »Ein schöner Brief«, sagte ich, nachdem ich ihn noch einmal gelesen hatte.
    »Sehr schön, Herr Graf«, sagte Peyrolles, und seine graublauen Augen sandten mir einen scharfen Blick, »und vielleicht könnte
     er sogar nützlich sein.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Dort steht schwarz auf weiß das förmliche Versprechen eines Baronstitels und einer Gratifikation.«
    »Aber das Versprechen ist mit dem Tod des Leutnants erloschen«, sagte ich, »es ist kein Anrecht.«
    »Crede quod habes, et habes.«
    »Ihr meint, Monsieur, mit dem Moment, da man ein Recht zu besitzen glaubt, besitze man es? Aber das ist ein Sprichwort, das
     man doch wahrscheinlich
cum grano salis
1 nehmen muß.«
    Meine Antwort versetzte Monsieur de Peyrolles in Erstaunen: Wie die meisten der Seinen hielt er die Angehörigen des Schwertadels
     für heillos ungebildet.
    »Herr Graf«, sagte er mit einer Achtung, die weit über den protokollarischen Respekt hinausging, den er mir bis dahin bezeigt
     hatte, »Ihr könnt Latein! Wurdet Ihr zufällig bei den Jesuiten erzogen?«
    Dieses »zufällig« hieß offenbar, daß er selbst es wurde und daß er sich bis an sein Lebensende etwas zugute halten würde auf
     die vorzügliche Ausbildung, die er bei den guten Patres genossen hatte.
    »Ich hatte nicht das Glück«, sagte ich, »ich wurde daheim |262| von Hauslehrern unterrichtet. Aber, glaubt Ihr wirklich, Monsieur de Peyrolles? …« fuhr ich fort, ohne meinen Satz zu vollenden.
    »Ja, Herr Graf, das glaube ich. Ein

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