Rosen des Lebens
bauen, in dem sich |254| das Rösten reinlicher machen ließe als zwischen Schlamm und Kieseln. Und weil wir genug starkes Wasser haben, könnten wir
auch wie die Flamen eine Schwingmühle bauen, die uns die schwere Arbeit abnimmt und sie sehr viel besser und schneller macht.
Beide Bauten, Herr Graf, wären für uns wie für unsere Dörfler ein großer Gewinn.«
Für uns mehr als für die Dörfler, dachte ich im stillen, denn würden wir für das Rösten in unserem Gerinne und das Schwingen
in unserer Mühle nicht ebenso einen wenn auch geringen Anteil an ihrer Ernte erheben wie bei der Weinpresse und der Kornmühle
auch?
»Monsieur de Saint-Clair«, sagte ich lächelnd, »ich bewundere Eure Begeisterung und Euren Erfindungsreichtum. Und ich werde
in Muße über Euren Plan nachdenken. Im Augenblick möchte ich aber hören, wie es mit jenem Anliegen steht, das Euch teuer ist
und von dem Ihr mir in Euren Briefen spracht.«
Hierauf errötete mein Saint-Clair, was zugleich seiner klaren Haut und seinem guten Gewissen Ehre machte.
»Herr Graf«, sagte er, »auch ich wollte deswegen mit Euch sprechen.«
Er verstummte so jäh, daß ich spüren konnte, wie sehr der Gedanke an Laurena de Peyrolles ihn bewegte und daß es fast ein
Sakrileg für ihn war, über sie zu sprechen.
»Habt Ihr bei Monsieur de Peyrolles schon um ihre Hand angehalten?« fragte ich.
»Ja, Herr Graf.«
»Und wie war die Antwort?«
»Nicht sehr ermutigend«, murmelte er traurig. »Aber immerhin«, fuhr er mit festerer Stimme fort, »wollte er meine Familienurkunden
sehen, die das Alter meines Adels beweisen.«
»Sind sie denn in Eurem Besitz?«
»Ja, Herr Graf. Ich bin seit dem Tod meines ältesten Bruders und meines Vaters das Familienoberhaupt, ich kann sogar sagen,
der letzte meiner Familie.«
»Und was hat er mit diesen Papieren gemacht?«
»Er wollte sie in Ruhe studieren, und als er gestern durch mich erfuhr, daß Ihr nach Orbieu kämt, sagte er, es wäre ihm eine
Ehre, wenn Ihr ihm ein Gespräch gewähren würdet. Ich habe mir also erlaubt, Herr Graf, ihn auf morgen zum Mittagessen |255| ins Schloß einzuladen, mit seiner Tochter. War das falsch?« fragte Saint-Clair, abermals errötend.
»Aber nein, nein. Wie soll man sich näherkommen, wenn nicht bei Tische?«
»Monsieur de Peyrolles bat mich dabei um etwas, was mich ein wenig verwunderte. Aber weil er sehr darauf zu halten schien,
habe ich zugestimmt.«
»Um was handelt es sich?«
»Er bat mich, den Herrn Pfarrer mit einzuladen.«
»Was ist daran Verwunderliches?« sagte ich lachend. »Mon sieur de Peyrolles will nicht, daß Ihr mit seiner Tochter allein bleibt, wenn er sich mit mir bespricht.«
»Darauf kam ich nicht«, sagte Saint-Clair, der mir ein wenig gekränkt schien, daß Monsieur de Peyrolles seiner Ehre so wenig
traute.
»Nun, nun!« sagte ich, »ärgert Euch nicht, Saint-Clair, das hat weiter nichts auf sich. Es gibt sogar im Adel sehr besorgte
Väter. Mademoiselle de Peyrolles ist seine einzige Tochter. Bedenkt, wie der gute Mann sie lieben muß! Was meint Ihr, ob es
die Dinge vereinfachen würde, wenn ich Euch das Rapinaud-Haus überließe?«
»Oh, großen Dank, Herr Graf«, sagte er freudig, »das wäre unendlich großzügig von Euch. Denn soweit ich es verstand, fürchtet
Mademoiselle de Peyrolles, auf den zweiten Rang im Schloß verwiesen zu werden, wenn Ihr Euch eines Tages vermählt.«
»Also abgemacht«, sagte ich, indem ich mich erhob. »Ihr bekommt das Haus, und wenn Mademoiselle de Peyrolles Euch heiratet,
kann sie dort als alleinige Herrin schalten und walten.«
Hiermit trat ich zu Monsieur de Saint-Clair und umarmte ihn. »Nur Mut!« raunte ich ihm zu. Und seine Dankesworte unterbrechend,
eilte ich zur Tür. »Schickt dem Herrn Pfarrer zum Diner morgen meine Karosse«, rief ich ihm noch zu, »Ihr wißt, wie ihn das
freut.«
Ich ging auf mein Zimmer, um meine Toilette zu vervollständigen. Ich traf auf Louison, die das Bett machte, das sie am vergangenen
Abend so eifrig mit verwüstet hatte. Sie war aber nicht zufällig dort: Ihre Augen hingen neugierig an mir, und um sie nicht
auf die Folter zu spannen, berichtete ich ihr, wie es |256| stand. Sie war klug genug, nicht zu triumphieren, wie sie gedurft hätte, denn die Idee, Saint-Clair das Rapinaud-Haus zu geben,
stammte von ihr. Aber sie konnte nicht umhin, unendlich erleichtert zu strahlen, weil sie nun keine Rivalin im Regiment des
Schlosses fürchten
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