Rosen des Lebens
der Rückzug durch die steigende Flut abgeschnitten. Also beschloß
er, sich unverweilt aus der Klemme zu ziehen. Der König war noch keine Stunde auf der Insel, als Soubise im Schutz der Nacht
über eine andere Furt Saint-Gilles-Croix-de-Vie zu erreichen versuchte, um sich nach La Rochelle einzuschiffen.
|353| Zum Unglück stieg die Flut bereits. Soubise konnte die Furt mit seiner Reiterei noch ohne große Behinderung überschreiten,
auch ein Teil seiner Infanterie schaffte es, wenn auch mit dem Wasser bis zum Hals. Der Rest, etwa zweitausend Mann, kam nicht
mehr an gegen die Flut, die von Minute zu Minute stieg, und blieb auf der Insel zurück, ohne Führung, ohne Hoffnung, den Tod
vor Augen.
Unsere Soldaten hätten sich aber nicht angestrengt, viele gefangenzunehmen, doch der König versprach ihnen eine Belohnung
für jeden Mann, den man ihm für seine Galeeren brächte.
Auf unserem Vormarsch stießen wir auf seltsame Beute: einen Karren voller Glocken, den die Hugenotten bei ihren Eroberungen
längs der Küste von den katholischen Kirchtürmen geholt und auf die Insel geschafft hatten, um sie zu Kanonen einzuschmelzen,
was ihnen sicherlich eine weniger melodische Stimme verliehen hätte. Ludwig befahl, die Glocken zurück aufs Festland zu bringen,
eine jede an ihren Ort, damit keine Kirche im Land länger stumm bleibe.
Dieses Inselabenteuer hatte etwas Wunderbares: Ohne irgend zu kämpfen und ohne jeden Verlust wurde ein folgenreicher Sieg
errungen, denn Soubise verlor einen Teil seines Heeres und seinen Ruf, und alle Festungen, die er genommen hatte, fielen zurück
an den König. Royan kapitulierte binnen vier Tagen, ein großer Gewinn, denn diese Stadt an der Girondemündung hätte die Verbindung
mit Bordeaux unterbrechen und den hugenottischen Schiffen als Schlupfwinkel dienen können.
Ludwig bereitete dieser Erfolg um so mehr Genugtuung, als sein Kronrat und seine Minister in Paris einstimmig versucht hatten,
ihn von einem neuerlichen Feldzug gegen die Hugenotten abzubringen. Nur Prinz Condé hatte ihn energisch unterstützt. Seitdem
stand er beim König in solcher Gunst, daß der Hof vermutete, er werde Luynes bei Seiner Majestät als Favorit ablösen. Aber
wie ich noch erzählen werde, verdarb Condé soviel und so dumm, daß er seinen Vorzug nach wenigen Monaten verlor.
Weil ich wußte, daß das letzte Ziel des königlichen Heeres Montpellier war, die stärkste Hugenottenstadt nach La Rochelle
und Montauban, dachte ich, wir würden nach der Einnahme von Royan bis Bordeaux marschieren, von dort entlang der Garonne bis
Toulouse und dann nach Carcassonne, Narbonne, |354| Béziers, Pézénas und Mauguio, das unweit von Montpellier lag. Und genau das taten wir im großen ganzen, aber mit zwei beträchtlichen
Haken. Der erste führte uns östlich von Bordeaux nach Sainte-Foix-la-Grande, das wir belagerten, den zweiten schlugen wir
östlich von Montauban, um Nègrepelisse und Saint-Antonin zu nehmen. Man sieht also, daß wir zwei bedeutende Städte, Bordeaux
und Montauban, nicht berührten, die erste, weil sie königstreu war, und die zweite, weil sie uns feindlich war und der König
nicht die Mittel hatte, sie durch eine erneute Belagerung zu bezwingen.
Der Herzog de La Force, der Sainte-Foix-la-Grande, östlich von Bordeaux, hielt, war mit dem Herzog von Rohan, der Montpellier
hielt, der bedeutendste Chef der hugenottischen Rebellion. Doch gingen bei ihm die Interessen des Seigneurs weit über die
des Protestanten. Als Ludwig zum großen Kummer des Herzogs sein Schloß besetzte und das königliche Heer kurz darauf vor den
Mauern von Sainte-Foix erschien, gab La Force die Stadt und die ganze Basse-Guyenne preis gegen zweihunderttausend Ecus und
den Titel eines Marschalls von Frankreich. Sein Schloß wurde ihm gnädig zurückgegeben.
Wenn der Leser erlaubt, mache ich jetzt einen Sprung – einen Riesensprung, offen gestanden –, aus der Umgebung von Bordeaux
in jene von Montauban, um das der König, wie oben gesagt, den zweiten östlichen Haken schlug, denn ich möchte die Umstände
des Massakers von Nègrepelisse aufklären, eines der abscheulichsten Schauspiele, das ich in diesem Krieg mit ansehen mußte.
In Wahrheit gab es nicht ein, sondern zwei Massaker in Nègrepelisse, das zweite war eine Folge des ersten, und dieses erste
hatten die Einwohner selbst vollbracht. Als fanatische Hugenotten hatten sie im Januar bei Nacht die Garnison
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