Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
nichts und wieder nichts bis hierher marschiert. Wir werden dem Feind nicht die
     Wahl lassen, zu kämpfen oder zu fliehen. Meine Herren, habt nicht mehr Angst um mich als ich selbst. Meine Sache ist |351| gerecht, Gott wird mir beistehen. Wir gehen um Mitternacht übers Watt.«
    Hierauf ließ er den Soldaten Brot austeilen und schickte die Pferde zum Weiden auf die Wiesen von Saint-Jean-de-Monts. Er
     bezog ein karges Quartier im Bauernhof L’Épine, ließ sich nach einem Mahl aus Brot und Wein einen Jägerrock aufs Stroh breiten
     und schlief wie ein Stein. Er hatte fünfzehn Stunden im Sattel gesessen.
    Die Furt zur Insel hinüber war die Furt von Besse. Um Mitternacht überquerte sie die Kavallerie mit dem König an vorderster
     Spitze binnen einer knappen halben Stunde. Die Infanterie, die über die Furt von Épine ging, traf es nicht so gut und wurde
     naß. Auf der Insel erwartete alle eine Überraschung. Die Späher, die man vorausgeschickt hatte, meldeten, sie hätten eine
     halbe Meile weit keine feindliche Spur entdeckt. Ludwig konnte seine Leute also in Muße antreten lassen. Bei der Inspektion
     stellte er fest, daß die Männer vor Nässe und Kälte schlotterten. Er ließ in Abständen Feuer machen mit dem Holz zerfallener
     Hütten, die man unweit entdeckte, und befahl, wiederum Brot an die Truppen auszugeben.
    Für jeden, der in den Krieg zieht, und ich war diesmal die ganze Zeit mit beim König, ist ein Feldzug ein langer Marsch oder
     eine lange Rast – eins so erschöpfend wie das andere. Der Kampf selber ist, außer wenn es eine Belagerung gibt, verblüffend
     kurz, oder wenigstens erscheint er einem so, wenn man ihn heil überstanden hat.
    Die Nacht war pechschwarz, und weil man eine Schlacht nicht im Dunkeln anfangen kann, beschied der König, den Tag abzuwarten.
     Nie kam ein Tag zögerlicher: Es war, als wollte die Sonne nicht aufgehen, um kein Blutvergießen zu sehen, vor allem nicht
     das Blut eines Bruderkrieges. Als der Tag graute, ließ Ludwig abermals Brot austeilen. Da hörte er einen Soldaten klagen,
     die Portion sei sehr klein.
    »Wenn ihr mehr wollt«, sagte er, »müßt ihr es euch jetzt beim Feind holen.«
    Der Scherz ging von Mund zu Mund, und er war so ganz in der Art seines Vaters, daß einige, die noch mit Henri Quatre gekämpft
     hatten, sich davon wie neugeboren fühlten.
    Doch hieß es noch einmal lange warten, bis die Sonne aufging. Man versuchte sich an einem der großen Feuer zu wärmen, |352| die jetzt mit Schilf vom Rand der Sümpfe unterhalten wurden. Ludwig legte sich abseits auf dem Erdboden schlafen, auf bloßem
     Sand, indem er sich in seinen Jägerrock hüllte.
    »Sire«, sagte sein Quartiermeister, »Ihr wärt besser in Eurem Bett im Louvre aufgehoben!«
    »Im Gegenteil«, sagte Ludwig, »ich bin voll zufrieden, daß ich hier bin, denn ich ziehe gegen diesen Hochmütigen, der mir
     meine Städte und Inseln nehmen will. Aber ich lasse ihm keine einzige, nicht einmal dieses Inselchen!«
    Hierauf schlief er ein, und wir verboten jedem Ankömmling, ihn zu stören, bis der helle Tag anbrach, und es war tatsächlich
     ein Anbrechen, denn das Licht fiel durch den jähen Spalt einer dicken schwarzen Wolke und richtete seine Strahlen auf uns
     wie auf biblischen Bildern, wo Gottvater sich aus dem Himmel herabbeugt und den Menschen erscheint.
    Ludwig war schon auf. Berlinghen und Soupite legten ihm seinen Harnisch an, der Reitknecht brachte sein Pferd, und Ludwig
     schwang sich ohne Hilfe trotz des schweren Panzers behende in den Sattel. Jedoch setzte er keinen Helm auf, sondern einen
     Hut mit einer großen weißen Feder, und nicht nur ich dachte dabei an den weißen Federbusch, den sein Vater in der Schlacht
     von Ivry getragen hatte.
    Auf seinen Befehl setzte sich das Heer in Marsch, die Kavallerie mit Ludwig an der Spitze, und zog eine halbe Meile in Richtung
     des Marktfleckens von Riez, ohne auf eine lebende Seele zu treffen. Nun stellten wir uns langsam doch einige Fragen. Da kehrte
     Monsieur de Beaumont, der mit den Spähern weiter vorgedrungen war, mit Gefangenen und Fischern zurück, die auf Befragung berichteten,
     was vorgefallen war.
    Als Soubise am Vorabend sah, daß die königliche Armee sich darauf vorbereitete, von den Dünen des Festlands auf die Insel
     hinüberzugehen, begriff er, daß die Falle von Ebbe und Flut, durch die er sich hatte schützen wollen, nun doch über ihm zuschnappen
     würde. Wenn er unterlag, und alles sah danach aus, war ihm

Weitere Kostenlose Bücher