Rosen des Lebens
diesem Scheinheiligen nachgeben können, ich hatte ja nur Augen für Euch! Sogar um den Preis seines
Hasses habe ich mich für Euch entschieden.«
Und indem sie so vom Klagen zum Vorwurf überging, vom Vorwurf zum Flehen und vom Flehen zur herzbebenden Erklärung ewiger
Liebe, kam sie ihrer Beute näher und näher. Und unversehens war der arme Claude umwickelt von der schönen Schlange mit dem
Frauenkopf, ihre zärtlichen Ringe umschlossen ihn eng und enger, bis ihm alles auf einmal geschah, bis sein Willen erlahmte
und seine Sinne sich entflammten.
Er gab nach. Und um das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, ließ sie ihn, kaum daß die Begierden gestillt waren, einen
Brief an den König schreiben, worin er dem Brauch gemäß Seine Majestät um die Erlaubnis bat, die Frau Konnetabel zu heiraten.
Dieser Brief erreichte Ludwig, als er in Nantes Etappe machte. Soeben hatte er erfahren, daß Monsieur de Soubise die Insel
Oléron und die Städte Royan und Les Sables-d’Olonne genommen hatte. Claudes Brief war nicht angetan, seine Stimmung aufzuhellen.
Beim Lesen erblaßte er vor Zorn, dann streckte er ihn mir mit einer Barschheit hin, die er mir bis dahin nie bezeigt hatte.
Und als er mich anredete, nannte er mich nicht Siorac oder Sioac, sondern Orbieu, was mich noch beklommener machte als sein
Ton.
»Da, ein Brief von Chevreuse«, sagte er mit einer Stimme, die sich kaum beherrschen konnte. »Lest, Orbieu, Ihr seid doch,
wie ich höre, eine Art Bruder von ihm.«
|347| Dieses »eine Art« erschreckte mich erst recht, denn langsam schien mir, der königliche Zorn auf Claude werde auch auf »meine
Art« Familie und mich niederfallen.
Langsam las ich das unselige Schreiben. Es sagte mir nichts Neues, denn ich hatte am Vortag einen Brief von der Herzogin von
Guise erhalten, der mir Claudes Kapitulation im einzelnen schilderte. Meine liebe Patin bat mich, beim König dafür einzutreten,
daß er diese Heirat, für wie verhängnisvoll man sie auch halte, nicht verbieten möge, weil mein behexter Bruder sonst eine
Tollheit begehen könnte.
Während ich Claudes Schreiben an den König las, fragte ich mich, ob der Brief meiner Patin, den sie durch königlichen Kurier
geschickt hatte, nicht etwa geöffnet, gelesen und dem König mitgeteilt worden war. Auf diese Überlegung hin beschloß ich,
seinem möglichen Argwohn mit dem vollständigsten Freimut zu begegnen. Ich teilte ihm also den Inhalt des Briefes meiner Patin
samt ihrem Auftrag an mich mit.
»So, und was habt Ihr nun vor?« fragte Ludwig.
»Zu tun, was sie mir geboten hat, Sire.«
Ludwig fuhr auf. »Wie das?« fragte er. »Ist das Siorac, der so spricht, oder der Halbbruder von Chevreuse?«
»Es ist Siorac, Sire«, sagte ich, »Siorac, dem nichts so am Herzen liegt wie die Interessen Eurer Majestät, die ihm immer
über die seiner Familie gehen und gehen werden.«
»Ach!« sagte Ludwig rauh, »und was befiehlt mein Interesse in dem Fall?«
Es war nicht leicht, Ludwigs Blick zu ertragen, wenn er grimmig war. Trotzdem hielt ich mich an meinen Entschluß und wagte
den Sprung ins Wasser.
»Sire«, sagte ich, »diese Heirat ist in jeder Hinsicht verhängnisvoll, aber es liegt nicht im Interesse Eurer Majestät, sie
zu verbieten.«
»Warum nicht?« fragte Ludwig aufgebracht. »Muß ich etwa einen Eklat des Herzogs von Chevreuse fürchten?«
»Nein«, sagte ich, »aus so schlechtem Holz ist Claude nicht geschnitzt. Er ist seinem König treu und wird es immer sein. Aber
wenn Ihr mich fragt, Sire, so ist es eine Gewissenssache Seiner Majestät, zu entscheiden, ob Sie eine Heirat verhindern will,
durch die zwei Personen, die in der Sünde leben, sich mit Gott aussöhnen könnten.«
|348| Dieses Argument war nicht der Hitze des Augenblicks entsprungen. Ich hatte es schon am Vorabend als das bestgeeignete befunden,
einen so frommen Mann wie Ludwig zu überzeugen. Trotzdem war es mir soeben ein bißchen schwer über die Lippen gegangen, denn
es war doch eher ein priesterlicher Gedanke. Für gewöhnlich weigere ich mich nämlich, mir vorzustellen, der Schöpfer interessiere
sich so innig für die Kopulationen seiner kleinen Geschöpfe, daß er darüber Strichlisten führt.
Aber ich hatte ins Schwarze getroffen. Diesem Grund, auf den er noch nicht gekommen war, konnte sich Ludwig nicht verschließen.
Und ich sah zu meiner großen Erleichterung, daß er sich langsam beruhigte.
»Ich denke drüber nach«, sagte
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