Rosen des Lebens
beherrschen. Als ich las, gelang
es mir, meine Stimme zu festigen. Nachdem ich geendet hatte, blieb Ludwig so lange stumm, daß ich schon glaubte, nun werde
er auch mich, wenn nicht auf mein Gut Orbieu, so doch wenigstens in Entlassung schicken.
»Orbieu, was haltet Ihr von diesem Ersuchen Schombergs«, fragte er schließlich, »seine Rechnungsführung vom Parlament prüfen
zu lassen?«
»Ich denke, Sire, diese Bitte spricht für seine Unschuld.«
»Er ist nicht unschuldig«, sagte Ludwig unwirsch. »Er hat mir das Defizit im Staatsschatz verschwiegen.«
»Sire, er hat es den Brûlarts mitgeteilt in der Annahme, daß sie Euch unterrichten würden.«
»Es gibt Dinge, die man mir mitzuteilen hat, mir allein, wenn sie von solcher Bedeutung für das Reich sind!« sagte Ludwig
zornig. »So etwas darf mir nicht verborgen werden! Das muß ich wissen!«
Dann fuhr er fort: »Wieso hat Schomberg Euch kompromittiert, anstatt den Brief mit der Post zu schicken?«
»Sire, ich habe ihm abgeraten, ihn mit der Post zu schicken.«
»Warum?«
»Weil die Briefe, Sire, die an Euch adressiert sind, durch die Hände von Monsieur de Puisieux gehen: Er hätte diesen hier
unterdrücken können.«
»Orbieu«, sagte Ludwig scharf, »Eure Dreistigkeit gegen meine Minister geht zu weit. Ich habe nicht übel Lust, Euch einige
Jahre auf Euer Gut zu versetzen.«
Ich fühlte, wie ich erbleichte, und meine Knie fingen bei dieser Drohung an krampfhaft zu zittern. Nur mit Mühe konnte ich
meine Entgegnung in Worte fassen.
|380| »Sire«, sagte ich, »es wäre seltsam, wenn Ihr Monsieur von Schomberg verbannt, weil er Euch die Wahrheit verschwiegen hat,
und mich straft, weil ich versuche, sie Euch zu sagen.«
»Was heißt versuchen?« fragte Ludwig, indem er mich streng ins Auge faßte. »Sagt sie ganz!«
»Sire, Eure Majestät wird sich erinnern, daß ich Monsieur de Puisieux als Dolmetsch diente, wenn er Depeschen von ausländischen
Herrschern erhielt. Und ich beobachtete, daß er, wenn ich sie ihm übersetzt hatte, zwei Stöße machte: Den einen brachte er
Euch zur Kenntnis, den zweiten, den er ›bedeu tungslos ‹ nannte, gab er mir einzusortieren. Nun warf ich eines Tages aus Neugier einen Blick auf eine dieser ›bedeutungslo sen ‹ Depeschen und entdeckte einen Brief, den ich ihm übersetzt hatte und der vom Herzog von Savoyen stammte.«
»Und was besagte dieser Brief?«
»Er drängte Euch, im Veltlin zu intervenieren.«
»Warum habt Ihr mir das damals nicht mitgeteilt?« fragte Ludwig nach einem Schweigen.
»Ich dachte, Sire, daß Ihr im Prinzip mit der Aussortierung einverstanden wäret und daß Monsieur de Puisieux Euch die Depesche
des Herzogs von Savoyen nur aus Versehen vorenthalten hätte.«
»Und was hat Eure Meinung geändert?«
»Die Beharrlichkeit von Puisieux, jede Intervention im Veltlin hinauszuzögern.«
Ein langes Schweigen trat ein. Ludwig hielt den Blick auf seine Arbeit gesenkt, die er mit verblüffendem Geschick fortsetzte.
Endlich sagte er, ohne aufzusehen: »Ihr sprecht hierüber zu keiner lebenden Seele. Ihr könnt gehen, Orbieu.«
Als ich mich umwandte, rief er mich zurück und sagte: »Sio rac , ich finde es nicht verkehrt, daß Ihr Monsieur von Schomberg trotz seiner Ungnade besucht habt.«
***
Beaumarchais, der Mann, der dem König seine verzweifelte Finanzlage enthüllt hatte, führte zwei Geschäfte gleichzeitig, die
jedem verständigen Menschen unvereinbar erschienen wären: Er war königlicher Schatzmeister, ein Amt, das er gekauft hatte
und rechtmäßig ausübte, und daneben Finanzier auf |381| eigene Rechnung. Diese Vermischung, die man bedauerlich finden kann, erklärt wohl, ohne daß man es weiter ausführen müßte,
daß Beaumarchais Seiner Majestät jene betrübliche Enthüllung nicht aus reiner Ergebenheit für die Staatsinteressen gemacht
hatte, sondern um daraus seinen Profit zu ziehen. Tatsächlich, kaum war Monsieur von Schomberg entlassen, schlug Beaumarchais
Seiner Majestät vor, den Finanzminister durch seinen Schwiegersohn zu ersetzen, dafür würde er dem Schatz jene Anleihen gewähren,
die zur Fortführung des Staates absolut nötig waren und ohne die wir geradewegs in den Bankrott geraten würden. Sein Kandidat,
der Marquis de La Vieuville, hatte kürzlich die Mitgift von Mademoiselle Beaumarchais geehelicht, und seinem Schwiegervater
gefiel die Idee, daß der Schwiegersohn die Finanzen des Staates verwaltete, während er selbst
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