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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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beklommenen Überlegungen überwand ich jedoch meine Bedenken und nahm die Gefahr, in Ungnade zu fallen, um meiner Liebe
     und Treue willen auf mich. An einem Tag, als es so heftig regnete, daß an keine Jagd zu denken war, und Ludwig sich damit
     beschäftigte, handgeschriebene Blätter zu einem Buch zu binden, bat ich ihn, ihm einige Fragen stellen zu dürfen. Er willigte
     ein.
    »Sire«, sagte ich, »ich fühle mich im Kronrat manchmal wie ein noch unflügger Falke, der ratlos hin und her flattert, weil
     er das Ziel nicht kennt.«
    Woraufhin Ludwig lächelte. Und ohne von seiner Arbeit aufzusehen, fragte er: »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, Sire, das Veltlin. In Avignon und dann auch in Lyon wurde der Plan einer Liga zwischen Venedig, Savoyen und
     Frankreich gefaßt, um die Spanier zu drängen, das Veltlin freizugeben. Dann wurde dieser Plan mehrmals verschoben. Und jetzt
     hat man, der interessierten Anregung des Graf-Herzog Olivarès folgend, die Affäre dem Heiligen Vater übergeben. Aber das,
     Sire, ist doch ein Pflaster auf ein Holzbein, denn nie wird Seine Heiligkeit Partei nehmen gegen die Spanier. Und wir können
     uns bezüglich des Veltlin die Nase wischen.«
    »Für einen unflüggen Falken, Siorac«, sagte Ludwig, ohne von seiner Arbeit aufzublicken, »fliegt Ihr sehr gerade ins Ziel.
     Ihr habt nicht unrecht, mir diese Liga in Erinnerung zu rufen.«
    »Ich hoffe, Sire, daß Ihr meine Frage nicht ungehörig fandet.«
    »Sie war es«, sagte Ludwig, »weil sie in den Rat gehört. Für diesmal mag es durchgehen.«
    Dies wurde in einem Ton gesagt, der mich bedenklich stimmte. Beruhigt war ich erst, als die im Oktober 1622 in Avignon geplante
     Liga schließlich doch im Bücherkabinett unterzeichnet wurde (ebendort, wo ich zu Concinis Zeiten so viele geheime Botschaften
     für Ludwig in Montaignes
Essais
versteckt hatte). Zugegen waren die Gesandten von Savoyen und Venedig, der Konnetabel Lesdiguières, der Kanzler Brûlart de
     Sillery und Monsieur de Puisieux, der dabei keine glänzende Figur machte. Aber glänzend war diese ohnehin nie, denn er hatte
     eine herabhängende Unterlippe und einen Augenfehler, so daß man sich immer fragen mußte, wohin er eigentlich blickte.
    |376| Als ich das Bücherkabinett verließ, traf ich – war es ein Zufall? – auf Fogacer, der sich meinem Ohr zuneigte.
    »Nun, Seid Ihr zufrieden?« sagte er. »Die Liga ist geschlossen, der Vertrag unterzeichnet.«
    »Ja«, sagte ich, »aber noch ist sie nur Papier. Und es bräuchte einen Zauberer, damit diesem Papier Schwerter entsprössen.«
    »Zumal unsere Kassen leer sind«, sagte Fogacer nüchtern. »Beaumarchais hat es dem König heute morgen mitgeteilt.«
    »Beaumarchais, der königliche Schatzmeister?«
    »Derselbe.«
    »Ich kann mir den Zorn Seiner Majestät vorstellen.«
    »Den könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen! Gleich schlägt der Blitz ein.«
    Und fort war er wie der Wind, wie gewöhnlich, und als ich zu meiner Wohnung ging, stieß ich auf Tronçon, der eilig seinen
     Bauch vor sich her schob. Ich zupfte ihn am Ärmel.
    »Monsieur Tronçon, wohin so eilig? Überbringt Ihr jemandem eine königliche Tronçonnade?«
    »In der Tat«, sagte er, »aber ich darf nicht verraten, wem.«
    »Oh, mir werdet Ihr es verraten, Monsieur Tronçon«, entgegnete ich lachend. »Ihr werdet mir sagen, wer der Empfänger dieser
     Tronçonnade ist, oder ich erzähle
urbi et orbi,
welche mysteriöse Krankheit Ihr in einem gewissen Gasthof auskuriertet.«
    »Herr Graf, Ihr setzt mir das Messer an die Kehle.«
    »Aber ich schneide sie Euch nicht durch, mein lieber Tronçon. Ein Wörtchen nur, und Ihr seid frei.«
    »Ach, es weiß doch sowieso schon jeder«, sagte Tronçon unwirsch. »Ich frage mich wirklich, wozu ich da bin. Natürlich handelt
     es sich um Monsieur von Schomberg. Ich überbringe ihm ein Billett des Königs, das ihn auf sein Gut Nanteuil verbannt.«
    »Beim Bauch des heiligen Antonius!« sagte ich. »Schom berg , der Finanzminister, ist das möglich! Schomberg, der treue, ehrenhafte Mann!«
    Ich ließ Tronçon einen Vorsprung und folgte ihm zu Schombergs Tür. Die Fanfaren des Klatsches, die nie so laut tönen, wie
     wenn sie das Schlimmste ankündigen, waren Tronçon vorausgeeilt. Anstatt der üblichen Menge von Bittstellern, die sich |377| dort vom frühen Morgen an drängten, sah ich keinen Menschen. Ich wartete geduldig, bis Tronçon herauskam, dann klopfte ich
     selbst an. Als mir niemand antwortete, trat ich ein und

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