Rosen des Lebens
hatte und sich außerdem in vollem Bankrott befand, gab nach und verplichtete sich durch den Vertrag
von Madrid, den Graubündnern das Veltlin zurückzugeben. Einige Monate später jedoch, als Ludwig mit seinen Hugenotten im Kampf
lag, nützte es diese Lage aus, um das Veltlin wiederum zu besetzen, und schloß mit Graubünden den Vertrag von Mailand, der
ihm den von Frankreich bestrittenen Besitz zusicherte. Wie gesagt, Ludwig hatte die Hugenotten am Hals und konnte nichts machen.«
»Aber nach dem Frieden von Montpellier«, sagte La Surie, »hätte man da nicht intervenieren können?«
»Man hätte, und der König wollte es. Er reiste nach Avignon, wo er mit seinem Schwager, dem Herzog von Savoyen, und dem venezianischen
Gesandten Pesaro zusammentraf. Er wollte eine Liga zwischen Savoyen, Venedig und Frankreich schließen, um Spanien zur Räumung
des Veltlin zu zwingen. Doch im letzten Moment wurde nichts daraus, weil Puisieux einwand, Pesaro habe nicht die nötigen Machtbefugnisse
zum Verhandeln.«
»Herr im Himmel!« rief ich, »was sollte diese verbohrte Verfahrensfrage? Wenn Pesaro dort war, so doch wohl dazu, Frankreich
um Beistand gegen die Spanier zu ersuchen?«
»Verzögerung, Herr Graf«, rief Pater Joseph, »reine Verzögerung! Nichts wie ein heimtückischer Knüppel zwischen die Räder!
Zurück in Paris, war keine Rede mehr von der Liga, und Puisieux nahm das Angebot des Ministers Olivarès an, die Lösung der
Affäre dem Papst zur Schlichtung zu unterbreiten. Zur Schlichtung, liebe Freunde! Als ob der Papst nicht voreingenommen wäre
für die spanische Politik!«
»Alle Wetter, dann ist dieser Puisieux ja ein Verräter!« rief La Surie.
Auf dieses deutliche Wort hin kniff Pater Joseph funkelnden Auges die Lippen zusammen und gab keinen Laut von sich. Und als
ich ihn fragend anblickte, sagte er so sanft und leise, als spräche er durch das Gitter eines Beichtstuhls: »Herr Graf, Ihr
kennt doch den Domherrn Fogacer, nicht wahr?«
»In der Tat, er ist ein alter Freund meines Vaters, und ich möchte sagen, auch der meine.«
|374| »Wenn Ihr über die Rolle Puisieux’ in dieser Affäre mehr wissen wollt, fragt ihn. Als Mann des Nuntius’ kann er Eure Fragen
wohl am besten beantworten.«
Schweigen machte sich zwischen uns breit, und trotz meiner Bitten wollte der Pater, der sagte, sein Magen schmerze, weder
essen noch trinken und verließ uns.
Acht Tage grübelte ich über diese beunruhigende Begegnung nach und erwog, ob ich Fogacer eine solche Frage stellen sollte,
die mir nicht ungefährlich schien. Eine zufällige Begegnung auf der Treppe mit Heinrich II. im Louvre entschied für mich.
Als Fogacer innehielt und mich umarmte, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ihm ins Ohr zu flüstern: »Wißt Ihr, warum
Puisieux die Liga zwischen Savoyen, Venedig und Frankreich beerdigt hat?« – »Mein lieber Graf«, sagte Fogacer leise, »wer,
außer wohl Ludwig, kennt nicht die elementare Wahrheit, daß der Mann, von dem Ihr sprecht, französische Politik nicht betreibt:
Er verkauft sie.« – »Und wer«, fragte ich, »bürgt Euch für diese Ansicht?« – »Wer anders als der, dem ich diene?«
Zwei Edelleute kamen die Treppe herauf, und Fogacer enteilte auf seinen langen Beinen, eine körperliche Besonderheit, durch
die er sich von den anderen Domherren des Kapitels von Notre-Dame unterschied, die sämtlich kurz und dick waren.
Als Mitglied des Kronrats nun hätte ich die Frage nach unserer Politik bezüglich des Veltlin auch in einer unserer täglichen
Sitzungen stellen können. Ich fürchtete jedoch, daß die meisten der würdigen Ratsmitglieder, die so viel älter und nobler
waren als ich, es für ungehörig erachten würden, wenn ein Grünschnabel, kaum daß er in ihren Kreis aufgenommen war, eine Affäre
auszugraben wagte, die man seiner Ruhe zuliebe besser als erledigt ansah.
Dem König gegenüber eine Frage aufzuwerfen, die den Kronrat betraf, barg aber die große Gefahr, ihm zu mißfallen, so streng
schied er die öffentlichen Angelegenheiten von seinen übrigen Lebensbereichen. Außerdem schien er sich im Kronrat schrecklich
zu langweilen, so wortreich und konfus waren die weißhaarigen Minister in ihren Vorträgen. Jedenfalls schien es mir bisweilen,
daß er zu manch einem Vorschlag nur deshalb ja sagte, weil man ihm die Ohren so vollgeredet hatte, daß er es satt war und
nichts mehr hören mochte. Nach langen |375| und
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