Rosen des Lebens
stand vor Monsieur von Schomberg. Er war allein. Rettungslos allein.
Und als er mich erblickte, sperrte er seine blauen Augen auf und stand starr. Henri von Schomberg, Graf von Nanteuil, war
damals achtundfünfzig Jahre alt. Er entstammte einer sächsischen Adelsfamilie, schon sein Vater und Großvater hatten Karl
IX., Heinrich III., Henri Quatre und Ludwig XIII. treu gedient. Schomberg war groß und breitschultrig, eine männliche Erscheinung
mit klaren Augen. Sein Sohn Charles, im selben Jahr geboren wie Ludwig, war einer der Ehrenknaben des kleinen Königs gewesen,
bevor er Rittmeister der Kavallerie wurde.
»Orbieu«, brachte Schomberg endlich mit heiserer Stimme hervor. »Wißt Ihr nicht, was geschehen ist, daß Ihr mich besucht?
Wißt Ihr nicht, daß mich jeder flieht? Daß ich jetzt der Sündenbock des Hofes bin?«
»Herr Graf«, sagte ich, »für mein Gefühl seid Ihr eher das Opferlamm. Der Blitz hat getroffen, aber nicht den richtigen Kopf.«
»Ach, Orbieu«, rief Schomberg und umarmte mich, »nie werde ich Euch diese Worte und diesen Besuch vergessen. Seht Ihr«, fuhr
er fort, und seine Augen glänzten feucht vor Bewegung, »ich wußte natürlich, daß die Kassen leer sind. Mein einziges Unrecht
ist, daß ich es den Brûlarts mitgeteilt habe und nicht dem König.«
»Der König«, sagte ich, »hat es von Beaumarchais erfahren und wird von den Brûlarts Erklärungen gefordert haben, und um jeden
Verdacht von sich abzulenken, haben sie seinen Zorn auf Euch abgeleitet. Was kostet diese Leute schon eine Verleumdung?«
»Aber, was nun?« rief Schomberg. »Ihr wißt, wie unnachgiebig der König sich an einmal gefaßte Entscheidungen hält.«
»Graf, wenn Ihr mich hören wollt, würde ich Euch folgendes raten: Reist getrost auf Euer Gut Nanteuil. Doch vor Eurer Abreise
laßt dem König durch einen Freund einen Brief überbringen, worin Ihr ihn bittet, er möge vom Hohen Gerichtshof untersuchen
lassen, wie Ihr Euer Amt als Finanzminister seit 1619 versehen habt.«
|378| »Durch einen Freund, und warum nicht durch die Post?«
»Weil Briefe an den König, die mit der Post geschickt werden, durch die Hände der Brûlarts gehen. Sie würden den Euren schamlos
unterdrücken.«
»Aber«, sagte Schomberg verzagt, »welchen Freund kann ich um einen Dienst bitten, der auch ihm die Verbannung einbringen könnte?«
»Mich«, sagte ich.
»Euch, Graf?« Und naiv setzte er hinzu: »Ich kenne Euch doch gar nicht so gut.«
»Graf«, sagte ich lächelnd, »Ihr werdet mich besser kennenlernen, wenn ich Euch diesen Dienst erwiesen habe.«
»Sicher«, sagte er, »aber er ist nicht ohne Gefahr. Ihr riskiert, in meine Ungnade verwickelt zu werden.«
»Kann sein. Trotzdem spricht etwas dafür: Indem ich Euch diene, diene ich dem König. Auch wenn er mir nicht glaubt, werde
ich seinen Argwohn hinsichtlich der Brûlarts wecken, und er wird erkennen, daß sie ihn hintergehen. Laßt uns keine Zeit verlieren,
schreibt Euren Brief.«
Er tat es auf der Stelle, und sowie er geendet hatte, las er mir den Brief vor. Er war linkisch geschrieben, aber gerade dieses
Linkische gab ihm jenen aufrichtigen Ton, in dem man sich nicht täuschen konnte.
Mit einer letzten, stürmischen Umarmung brach Schomberg auf. Mein Herz begann wie toll zu klopfen, und meine Beine zitterten,
als ich mich auf den Weg machte, dem König diesen Brief zu überbringen, der mir seine Zuneigung rauben konnte. Gott sei Dank,
war er allein, noch immer mit seinen Einbänden beschäftigt. Mit ›allein‹ meine ich, daß nur die Vertrauten um ihn waren, denn
bei dem Rüffel, den ich gewärtigen mußte, hätte ich keine anderen Zeugen gewollt.
»Sire«, sagte ich, indem ich niederkniete, »hier ist ein Brief, den Monsieur von Schomberg mich bat an Euch zu übergeben.«
»Ist er weg?« fragte Ludwig, ohne aufzusehen.
»Ja, Sire.«
»Wieso hat er Euch diesen Brief anvertraut? Ihr wart doch nicht befreundet?«
»Er hatte keine Wahl, Sire«, sagte ich. »Es war niemand sonst in seiner Nähe.«
|379| »Und was wolltet Ihr dort?«
»Ich hatte von seiner Ungnade gehört und dachte, daß er allein wäre.«
»Und Ihr scheut Euch nicht, mir den Brief eines Ministers zu bringen, den ich entlassen habe?«
»Ich nahm an, Sire, daß dieser Brief einige Bedeutung für Euch haben könnte.«
»So, dann öffnet ihn und lest vor.«
Ich öffnete das Schreiben, indem ich mich bemühte, meine zitternden Hände so gut ich konnte zu
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