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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hatte. Er muß den Toten heimlich verscharrt haben,
     denn man hat ihn nicht gefunden. Seitdem ist Rapinaud, so heißt der Verwalter, im ganzen Dorf verpönt.«
    »Und die königliche Gerichtsbarkeit?«
    »Sie hätte nur von dem Grafen ausgeübt werden können, das heißt in seiner Abwesenheit von dem Verwalter selbst. Im übrigen
     obliegt die königliche Gerichtsbarkeit ohnehin Richtern, die alle kleine Güter besitzen, wo sie gerne jagen und folglich für
     Wilderer auch nichts übrig haben.«
    »Könnt Ihr mir noch mehr über das Schloß sagen, Herr Vater?«
    »Wir fanden es in weit besserem Zustand, als man Euch mitteilte: Die Dächer sind heil, die Mauern gesund, die Balken solide.
     La Suries Messerspitze kam in die Balken nicht hinein, das ist ein gutes Zeichen. Die Fenster und Fensterläden brauchen frische
     Farbe, aber Gott sei Dank schließen sie. Beunruhigend ist nur, daß so wenige Möbel da sind, wir verdächtigen Rapinaud, daß
     er einige verschachert hat. Deshalb haben wir einen Gerichtsvollzieher beauftragt, das Schloß zu versiegeln.«
    »Aber, Herr Vater«, sagte ich lächelnd, »das war ein ungesetzlicher Akt, noch hat Euer Sohn nicht gekauft.«
    »Täuscht Euch nicht. Auf das Gerücht hin, daß Rapinaud gegen das königliche Vorkaufsrecht zu Euren Gunsten Einspruch |53| eingelegt hat, habe ich in Eurem Namen ein Kaufversprechen unterzeichnet und Madame d’Orbieu bereits zehntausend Livres angezahlt.
     War ich voreilig?«
    »Nein, nein, ich hatte mich ja ganz auf Eure Prüfung verlassen.«
    »Und auf meine«, sagte La Surie, der nicht gern übersehen wurde.
    »Das bezweifle ich nicht, Chevalier«, sagte ich, indem ich mich gegen ihn verneigte.
    »Wie recht Ihr damit habt!« fuhr La Surie mit einem kleinen Funkeln in seinem braunen Auge fort, während sein blaues kühl
     blieb. »Mit Eurer Erlaubnis werde ich Euch berichten, wie der Herr Marquis und ich diese Gutsbesichtigung bewerkstelligt haben.«
    »Ich höre.«
    »Der Herr Marquis hat geprüft, ich habe gestöbert.«
    »Gestöbert?«
    »Zum Beispiel in der Mühle von Orbieu.«
    »Ja, hört Euch das an, mein Sohn«, sagte mein Vater. »Die Geschichte ist lustig.«
    »In der Mühle von Orbieu habe ich«, sagte La Surie, den man nicht lange zu bitten brauchte, sich seiner Taten zu rühmen, »während
     Euer Vater sich den Mechanismus von Pfarrer Séraphin erklären ließ, überall meine Nase hineingesteckt. Und so entdeckte ich
     in einem Winkel einen kleinen verschlossenen Kasten. Ich öffnete ihn.«
    »Ohne Schlüssel?« fragte ich.
    »Was glaubt Ihr? Und ich fand zwei Scheffel, anscheinend gleich groß, der eine mit ein paar Restkörnern, der andere mit ein
     wenig Mehl.«
    »Ja, und?« sagte ich. »Mit dem einen mißt man das Getreide, das der Bauer dem Herrn bringt, mit dem anderen das Mehl, das
     der Müller nach dem Mahlen herausgibt, wobei er, wenn ich nicht irre, fünf bis zehn Scheffel von hundert als Arbeitslohn für
     sich behalten kann.«
    »Richtig«, sagte La Surie, »und daran ist auch nichts Besonderes. Dieses zeigte sich jedoch, als ich beide Scheffel miteinander
     verglich. Äußerlich waren sie, wie gesagt, gleich groß, aber als ich mit einem Strohhalm die innere Tiefe maß, stellte ich
     fest, daß der Mehlscheffel ein Fünftel flacher war als der |54| Kornscheffel: Der Boden war unauffällig um ein gut Teil angehoben.«
    »Warum das?« fragte ich verblüfft.
    »Bei jedem Scheffel Mehl, den der Müller beziehungsweise der Verwalter dem Bauern herausgibt, behält er, ohne daß der Ärmste
     es merkt, durch diesen Trick noch ein Fünftel mehr ein, als ihm zusteht.«
    »Aber dann betrügt der Verwalter sich doch selbst, wenn er die fünf oder zehn Scheffel abmißt, die rechtmäßig dem Herrn zustehen.«
    »Das glaubt Ihr! Dieser Teil – der Teil des Herrn – wird mit einem dritten Scheffel gemessen, auf dem groß und breit das Wappen
     des Grafen von Orbieu prangt. An dem ist nichts getrickst.«
    »Was habt Ihr da gemacht?«
    »Wir haben die drei Scheffel dem Gerichtsvollzieher übergeben, und er hat sie beschlagnahmt für den Fall, daß wir gegen Rapinaud
     prozessieren müssen, der soll nämlich prozeßsüchtig sein und könnte uns künftig Ärger machen.«
    Wir saßen zu dritt beim Mittagsmahl, und so gut Caboches Braten auch war, schnürte mir der Gedanke an diese schändliche Betrügerei
     doch den Magen zu. Da beschnitt man erbarmungslos den Teil des armen Mannes, der heilfroh ist, wenn er ein oder zwei Ar um
     seine

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