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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ihr mir glauben«, sagte ich, ohne mir meiner Theologie ganz sicher zu sein, denn Mathurine war ein Erzschalk und
     spielte jedem gern Streiche.
    Doch ihr Herz war ohne Arg, und das bewies sie erneut, als sie die Wirtin an der Hand nahm und zum König führte, der, schon
     gestiefelt und reisefertig, beim Mittagessen saß.
    »Ludwig«, sagte Mathurine, »jetzt werd ich dir mal diese Bohnenstange von Wirtin vorstellen, sie hat in ihrer Jugend deinen
     königlichen Vater gekannt, und er hat sie auf beide Backen geküßt.«
    Ludwig schaute von seinem Teller auf, betrachtete die Wirtin, die vor ihm niedergekniet war, und zog ernst seinen Hut, aber
     ohne den leisesten Ton zu sagen.
    Die Wirtin war ganz verdattert, aber sie raffte ihren Mut zusammen und rief mit einer Naivität, daß alles in der Runde lächelte:
     »Sire, einst hab ich Euren Vater geküßt, aber ich seh schon, daß man Euch nicht küssen kann.«
    Dann setzte sie hinzu: »Trotzdem, Sire, ich wünsche Euch Gottes Segen und ein gutes, langes Leben.«
    Und mit einem tiefen Kniefall ging sie davon. Nach dem Essen kam sie in mein Zimmer, und als ich sah, daß ihr die Sache schwer
     nachging, sagte ich: »Meine Liebe, königliche Küsse habe ich nicht zu vergeben, aber wenn du willst?«
    Da brach sie in Tränen aus, und als sie ihre Wangen getrocknet hatte, sagte sie in vertraulichem Ton: »Mein Gott, so jung
     noch und so ernst! Gewiß kann ich mir denken, daß sein großes Reich ihm allerhand an den Nägeln zu kauen gibt. Aber wahr und
     wahrhaftig, er ist nicht, wie sein Vater war: So leicht mit Scherzen und mit Küssen!«

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    |51| DRITTES KAPITEL
    Mein Vater und der Chevalier de la Surie kehrten von Orbieu voll des Lobes zurück. Drei Tage waren sie dort gewesen, Tisch
     und Bett hatte Pfarrer Séraphin ihnen geboten, während unsere Leute auf unsere Kosten in der Dorfschenke logierten, die zwar
     armselig, aber wenigstens nicht schmutzig oder verwanzt war.
    »Für hunderttausend Livres ist dieses Gut ein vorzügliches Geschäft«, sagte mein Vater, als er mich bei meiner Rückkehr von
     Rouen empfing. »Natürlich hat alles unter der Abwesenheit des Herrn gelitten. In den Wäldern hat man übermäßig abgeholzt,
     aber der Hochwald ist verschont geblieben, der übrigens prächtig ist. Tiefliegende Wiesen sind sauer geworden, weil man das
     Wasser nicht rechtzeitig abgeleitet hat. Gute Weiden sind von Dornengestrüpp und Quecken befallen. Äcker liegen seit vier
     Jahren brach. Straßen und Gräben sind vernachlässigt, die Wege ausgefahren und verschlammt. Zum Glück sind Backofen, Mühle
     und Weinpresse in Ordnung – gemeinnützige Einrichtungen, mein Sohn! Man sieht, daß der Verwalter sie instand gehalten hat,
     um im Namen des seligen Grafen von Orbieu dafür Abgaben zu kassieren, die unwiderstehlich in seine eigene Geldkatze rollten.«
    »Und das Schloß, Herr Vater?«
    »So gut wie neu, es wurde erst unter Henri Quatre erbaut, schön abgesetzt mit Ziegelstein und Haustein. Und entgegen der ersten
     Auskunft bedarf es keiner Reparaturen. Rechts und links liegen die Gesindeflügel. Die vierte Seite ist durch eine hohe Mauer
     geschlossen, die auf dem First mit Spitzen bewehrt ist, in der Mitte hat sie ein eisenbeschlagenes Tor. Der Hof ist groß genug
     für den Fall, daß das ganze Dorf dort Schutz suchen muß vor marodierenden Soldaten, die auf ihre üblichen Heldentaten aus
     sind: Morden, Rauben, Vergewaltigen. Das Kutschentor liegt zwischen zwei kleinen Türmen. Wenn man dort ein paar Musketen postiert,
     werden |52| Angreifer es sich überlegen, ob sie das Tor einschlagen oder sprengen.«
    »Teufel!« sagte ich. »Einen Tagesritt von Paris entfernt ist noch so viel Verteidigung nötig?«
    »Das haben die Kriege mit sich gebracht«, sagte mein Vater. »Wißt Ihr nicht, daß die Leute draußen im Land von unseren Soldaten
     genauso drangsaliert werden wie von den Feinden?«
    »Und wie steht es mit dem Wasser, Herr Vater?«
    »Quellen, soviel man will! … Und an der Westseite des Schlosses, fast unter den Mauern, liegt ein großer Teich, der von einem
     munteren Bach gespeist wird. Wie mir berichtet wurde, haben die Dorfbewohner den Teich gleich nach dem Tod des seligen Grafen
     binnen einer Nacht leergefischt.«
    »Und der Verwalter?«
    »Der hat sich gehütet, seine Visage zu zeigen. Vor einem Jahr hat er von einem Fenster des Schlosses einen armen Wilderer
     erschossen, der sich mit dem Netz einen dicken Karpfen aus dem Teich gezogen

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