Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
schreckt nicht so, wie man glaubt«, sagte Saint-Clair, »oder die Faulheit ist größer als der Schrecken. Wir brauchen
     ein besseres Zugmittel.«
    Unsere Soldaten führten die sechzehn zur Arbeit, und Saint-Clair und ich zermarterten uns den ganzen Tag das Gehirn darüber,
     wie man diejenigen verlocken könnte, die nicht der Groll ihres Herrn, nicht die Unzufriedenheit ihres Pfarrers, ja nicht einmal
     der angedrohte Zorn des Schöpfers aus ihren Hütten zu treiben vermochte.
    Wer mich rettete, war Louison. Fern dem Champ Fleuri, ohne daß Mariette sie ausschalt, ohne daß Franz ihr befahl, ohne daß
     Margots Schönheit sie in den Schatten stellte, war sie in meinem Schloß die Königin. Seit unserer Ankunft hier herrschte sie
     freundlich, aber unumschränkt über Robin, La Barge und die Hausbediensteten. Ihr Reich endete erst, wo das unserer Soldaten
     begann, die sich natürlich von keinem Weib am Bart ziehen ließen, und sei sie auch der Bettschatz eines Edelmanns.
    »Papperlapapp, Herr Graf«, sagte sie, »diese Strolche kriegt Ihr nicht über den Kopf und nicht übers Herz. Bringt sie mir,
     wenn es dunkel wird, in die Gesindestube, ich geb ihnen was, das sie an die Arbeit binden wird wie die Ziege an den Pflock. |110| Und ich wette mit Euch um eine neue Haube, Herr Graf, daß Ihr morgen früh genug Männer für Euren Wegebau beisammen habt.«
    Wie ich sie auch fragte, sie wollte nicht verraten, was sie im Auge hatte, und weil ich nichts verlor, wenn ich sie gewähren
     ließ, bestellte ich unsere Soldaten bei Dunkelwerden mit ihren sechzehn Aufrechten ins Schloß. Als ich abends im Gesindehaus
     nachsehen wollte, weil ich zu meiner Verwunderung mit keinem Laut gehört hatte, ob sie wirklich gekommen waren, und die Tür
     öffnete, saßen sie alle sechzehn auf Bänken, einen Napf in der Hand, und Louison füllte ihnen dicke Gemüsesuppe mit Speck
     auf. Für die meisten unserer armen Dörfler war das mehr, viel mehr, als was sie sonst zu essen hatten, und wer den frommen
     Lärm der Kehlen und Kiefer hörte, mußte kein Hexer sein, um vorauszusehen, was sich am nächsten Morgen in meinem Hof abspielen
     würde.
    »Louison«, sagte ich beim Schlafengehen, »wieso, zum Teufel, bin ich nicht selbst auf die Idee gekommen?«
    »Dafür könnt Ihr nichts, Herr Graf«, sagte sie lächelnd. »Was ist für Euch schon eine Gemüsesuppe? Ihr mußtet noch nie hungern.«

[ Menü ]
    |111| FÜNFTES KAPITEL
    Wenn ich mich recht entsinne, war es Anfang Mai, als Monsieur de Saint-Clair mir mitteilte, daß der Eifer meiner Bauern beim
     Wegebau nicht nachgelassen habe: Die Suppe, die sie nach jedem Arbeitstag erhielten, war der unfehlbare Magnet, der sie bei
     der Stange hielt. Und wenn das Wetter jetzt schön werde, schloß er, bestehe gute Hoffnung, daß wir bis zur Heuernte fertig
     würden.
    Im übrigen hätten Frauen angefragt, ob man sie bei dieser schweren Arbeit nicht gebrauchen könnte, und ich möge ihm mitteilen,
     wie ich darüber dächte. Was ihn betreffe, so sei er dafür, wenigstens die Witwen zu Arbeiten anzustellen, die ihren Kräften
     entsprächen, denn die Witwen auf meinem Gut seien die Ärmsten der Armen. Wenn Männer allein blieben, heirateten sie binnen
     eines Monats erneut, aber die Witwen fänden selten wieder einen Mann, vor allem, wenn ihr Besitz klein sei und sie viele Kinder
     hätten. Und auf diesen winzigen Hofstellen, wo man sich täglich zu zweit ins Geschirr spannen müsse, damit man über die Runden
     kam, sei eine Frau allein so gut wie verloren. Sie sinke schnell von der Armut ins Elend und vom Elend in die Bettelei, sogar
     in die dörfliche Prostitution, was das Schlimmste sei, denn jeder, auch der Pfarrer, zeige mit dem Finger auf sie.
    Monsieur de Saint-Clair fügte seinem Brief eine Aufstellung bei, was uns der Kauf der Kantsteine für die Beschotterung, ihr
     Transport und die tägliche Mahlzeit für fünfzig Mäuler seit Beginn der Arbeiten gekostet hatten. Er hatte sogar berechnet,
     wieviel es ausmachen würde, rund fünfzehn Frauen anzustellen. Wobei man nicht umhin könnte, schrieb er, ihnen zusätzlich zur
     Suppe für ihre Kinderschar daheim noch Brot mitzugeben.
    Ich legte Saint-Clairs Brief meinem Vater und La Surie vor, und mein Vater sagte nur, Saint-Clair könne rechnen, also werde
     er seine Sache wohl gut machen, der Chevalier dagegen bemerkte, der Mann habe Herz.
    |112| »Herz haben ist gut«, sagte mein Vater, »wenn es nicht überhandnimmt. Vor allem gerecht muß

Weitere Kostenlose Bücher