Rosen des Lebens
entgegenbringt. Kurz, würde man mit ihm verhandeln, finge er damit an, Berge von Gold und eine Erhöhung seiner Apanage zu
fordern, die aber bereits das Gouvernement Metz im Osten und zwei reiche Provinzen im Westen umfaßt, die Saintonge und das
Angoumois. Außerdem ist Épernon ein zänkischer |193| und stachliger Geselle, also gewiß der am wenigsten geeignete Mann, sich mit der Königinmutter zu verständigen und sie zur
Einsicht zu bringen.«
»Fogacer«, sagte ich, »setzte mich in Erstaunen. Er nannte Épernon den ›Schandherzog‹. Wißt Ihr, warum?«
Mein Vater schien nicht gewillt, diese Frage zu beantworten. Und um in unseren Gesprächen nicht zu sehr am Rande zu bleiben,
fing La Surie den Ball auf, eh er zu Boden fiel.
»Ihr würdet es von ihm niemals erfahren«, sagte er. »Aber tatsächlich wirft er ihm vor, daß er sein Herzogtum dem Beilager
mit Heinrich III. verdankt.«
»Und diesen Vorwurf erhebt ausgerechnet Fogacer? Sieht er nur den Splitter im Auge des anderen, aber den Balken im eigenen
Auge nicht? Ich glaube, ich träume!«
»Ihr seid auf dem Holzweg«, sagte La Surie. »Für Fogacer ist der Herzog kein echter Schwuler, der aus Instinkt und natürlicher
Neigung sündigt, sondern ein gemeiner Betrüger, der Unzucht nur aus Berechnung und Ehrgeiz trieb.«
»Wie dem auch sei«, sagte mein Vater, »wir jedenfalls haben ernstere Gründe, Épernon nicht zu lieben. Ich sah es mit eigenen
Augen, wie er den Treueschwur für Henri Quatre verriet, den ihm Heinrich III. auf seinem Totenbett abgefordert hatte. Kaum
eine Stunde, nachdem er geschworen hatte, verriet er ihn, indem er mit den Truppen entfloh, die er für den König ausgehoben
hatte, und zwang dadurch unseren Henri, der durch seine Schuld ein Viertel des Heeres verlor, zur Belagerung von Paris. Und
obwohl dieser Verrat allein schon eine Niedertracht war, die den Krieg um Jahre verlängerte und dem Reich beinahe zum Verhängnis
geworden wäre, ist sie wahrscheinlich nicht die einzige, die Épernon auf dem Gewissen hat. Aber darüber schweige ich lieber.« 1
Am folgenden Tag ließ Déagéant durch seinen Diener bei mir anfragen, ob ich ihn um zehn Uhr abends empfangen könnte. Neugierig,
was er mir wohl mitzuteilen hätte, sagte ich sofort zu. Seit unserem Gespräch auf der großen Treppe des Louvre im April 1618
hatte ich keine Gelegenheit gehabt, ihn unter vier Augen zu sprechen. Das war ein Jahr her.
|194| Mit dem großen Aufstieg, den Déagéant sich erwartete, sah es inzwischen weniger gut aus. Er kam nicht aus dem Geburtsadel,
nicht einmal aus dem Amtsadel, er hatte kaum Unterstützung am Hof und keine in den großbürgerlichen Kreisen. Und nie hatte
jemand diesem Mann aus kleinen Verhältnissen Manieren und Umgänglichkeit beigebracht. Sein Auftreten war ungefällig, sein
Benehmen arrogant, seine Manieren schroff, seine Sprache scharf, damit hatte er sich im Kronrat zu viele Feinde gemacht. Was
nützten ihm all seine Gaben?
Um Punkt zehn Uhr klopfte er an meine Tür, und weil er kein Mann war, der seine Zeit mit Zeremonien vertat, kam er zur Sache,
sowie er sich in dem Lehnstuhl niedergelassen hatte, den ich ihm wies.
»Herr Graf«, sagte er, »ich möchte Euch um einen bedeutenden Dienst bitten.«
Dieser unvermittelte Anfang, fand ich, war wieder echt Déagéant. Seit einem Jahr hatte er mich nicht gesehen und nicht gesucht.
Und auf einmal, weil er mich brauchte, verlangte er, ohne sich irgend dafür zu entschuldigen, daß er mich so lange vernachlässigt
hatte, ich solle ihm einen bedeutenden Dienst erweisen, und in welchem Ton!
Doch obwohl ich von der Formlosigkeit seines Ersuchens ein wenig pikiert war, neigte ich längst dazu, jedem Narren seine Narrheit
zu lassen, ohne daß ich mir viel daraus machte.
»Monsieur«, sagte ich, »wenn es sich um einen Dienst für den König handelt, bin ich Euer Mann.«
»Selbstverständlich handelt es sich um einen Dienst für den König«, versetzte Déagéant, als ob er mich zurechtweise. »Die
Sache ist einfach die: Ich möchte, daß Ihr Ludwig bittet, den Pater Joseph zu empfangen.«
»Darf ich fragen, Monsieur, welchem Zweck diese Begegnung dienen soll?«
»Pater Joseph – und dazu ist er bereit – soll den König überzeugen, daß er Richelieu aus dem Exil zurückruft und ihn wieder
an die Stelle versetzt, von der wir ihn vor einem Jahr entfernt haben, ich meine, an die Seite der Königinmutter.«
»Aber, Monsieur, wäre es
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