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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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befreien, sein Sinn war einzig darauf gerichtet, sich Europa zu unterwerfen. Ich bekam auf
     den König von Spanien und auf Spanien überhaupt einen großen Haß. Zurück in Frankreich, |199| erhielt ich eine Audienz bei Seiner Majestät. Der König hörte mich mit großem Interesse an, aber was vermochte er ohne Spanien?
     Ludwig war so jung, seine Macht noch so wenig gefestigt, der Schatz der Bastille vergeudet, und die Großen warteten nur auf
     eine Gelegenheit, sich gegen ihn zu empören. Trotzdem hörte er mir zu. Doch erhielt ich eine andere Genugtuung, eine ganz
     große: Richelieu schrieb mir aus seinem halben Exil zu Blois, wo er daran arbeitete, die Königinmutter und den König zu versöhnen,
     und bat mich um meine Hilfe und meine Protektion. Meine Protektion, Herr Graf, habt Ihr das gehört? Dieser exemplarische Christ,
     dieser überragende Geist, diese Leuchte unserer Zeit bat mich, den kleinen Kapuziner, um meine Protektion! Kann man sich eine
     löblichere Demut vorstellen?«
    Der demütigste der beiden, dachte ich in jenem Augenblick, war sicher nicht derjenige, den Pater Joseph so bezeichnete. Ich
     zweifelte nicht an dem durchdringenden Verstand des Kapuziners, aber wo seine Großherzigkeit und seine Begeisterung ihn hinrissen,
     trübten sie seinen Blick. Erleuchtet und blind, hatte er sich an den Visionen einer vereinigten Christenheit berauscht, aber
     in seiner Glaubensreinheit die Schrecken eines hingemordeten Volkes nicht gesehen. In Richelieu erblickte er zu Recht große
     Talente, doch erkannte er den Zynismus nicht, mit dem der Bischof, nur den eigenen Aufstieg im Visier, sich damals dem infamen
     Concini verschrieb, noch mit welcher Berechnung er der Königinmutter diente, um sich eines Tages die Gunst ihres Sohnes zu
     erobern.
    »Pater, wenn ich Euch recht verstehe, wollt Ihr Richelieu jetzt in den Sattel helfen?«
    »Oh, nein«, sagte der Pater. »Ich liebe und bewundere den Bischof von Luçon wie keinen anderen Mann auf der Welt, aber ich
     glaube dem König und dem Königreich zu dienen, indem ich ihm diene.«
    »Ihr meint also, Richelieu könnte dem König weitaus nützlicher sein, wenn er der Königinmutter bei den gegenwärtigen Verhandlungen
     beistünde, als wenn er in seinem Exil zu Avignon bliebe?«
    »Unbedingt«, versetzte Pater Joseph. »Der Hof der Königinmutter in Angoulême ist ein Narrenkäfig. Dort stehen durchweg kleine
     Hirne und niedrige Ambitionen im Dienst einer |200| Frau, die sich in Torheiten vergeudet und verliert. Um Frieden zu schließen, hat Ludwig zwei Unterhändler entsandt, Monsieur
     de Béthune, ein kluger Diplomat, und Pater Bérulle, der ein Heiliger ist. Aber sie stoßen auf unsinnige Forderungen. Wißt
     Ihr, was die Königinmutter als Vorbedingung jeder Verhandlung verlangt? Daß Ludwig die Truppen entläßt, die er, durch sie
     gezwungen, gegen sie aufgestellt hat. Könnt Ihr Euch etwas Widersinnigeres vorstellen? Warum verlangt sie nicht gleich eine
     zweite Regentschaft?«
    Ich lächelte bei dieser ironischen Frage, weil sie mich an die Worte meines Vaters vom selben Morgen erinnerte.
    »Schlimmer noch«, fuhr Pater Joseph fort, »sie hatte die Stirn, die weinerlichen, giftigen und rachsüchtigen Briefe, die sie
     dem König und seinen Ministern geschrieben hatte, zu veröffentlichen und damit die Untertanen des Königs zu Zeugen ihres Gezänks
     mit ihrem Sohn zu machen. Gewiß hatten weder der König noch die Minister ihr geantwortet, aber die Königinmutter war sich
     nicht einmal bewußt, daß sie damit Öl ins Feuer goß und daß dieses Öl die Verhandlungen nur erschweren kann, die sie ohnehin
     verschleppt, weil sie gar nicht begreift, daß ihre Position mit jedem Tag schlechter wird, den die königliche Armee weiter
     auf Angoulême vorrückt.«
    »Vielleicht verläßt sie sich auf den Herzog von Épernon, der doch Truppen in der Stadt hat.«
    »Aber doch nicht, um sie einzusetzen, und schon gar nicht gegen das königliche Heer! Sobald Angoulême eingeschlossen wird,
     könnt Ihr sicher sein, daß Épernon seine Abteilungen abzieht, so wie seinerzeit in Saint-Cloud, als Heinrich III. starb. Und
     dann rennt er mit eingeklemmtem Schwanz, um sich in seiner guten Stadt Metz in Sicherheit zu bringen.«
    Wirklich, dieser Pater Joseph setzte mich in Erstaunen. Der Mystiker, der Schwärmer, der Verfechter eines utopischen Kreuzzugs
     wich plötzlich einem Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde stand, bestens Bescheid wußte über die

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