Rosen für Apoll
Zeit nachlesen können, die Wende der Tyrannis ein. Das Maß war, so heißt es, voll, die Erhebung begann. Und zum Beweis stellt man folgende Liste auf:
525, drei Jahre nach Kimons Ermordung, wurde Lygdamis, Tyrann von Naxos, gestürzt.
523 wurde Polykrates, Tyrann von Samos, beseitigt.
515 verloren die Peisistratiden ihre Silberminen in Thrakien.
514 ereignete sich bei den Panathenaien-Festspielen das in der Weltgeschichte berühmt gewordene Attentat auf die Peisistratiden. Hipparch wurde ermordet, Hippias konnte sich retten. Die beiden Verschwörer, Harmodios und Aristogei-ton, spätere Nationalhelden, mußten dafür ihr Leben lassen. Harmodios fiel im Kampf, Aristogeiton wurde hingerichtet. Von da an begann die Schreckensherrschaft von Hippias, die das Wort Tyrann mit dem ewigen Makel versehen hat.
510 wurde Hippias endgültig vertrieben. Das Volk hatte sich befreit.
Der Fall scheint klar. Was halten Sie davon?
Nun — wir wollen uns die Sache doch noch einmal ansehen. Wenn Sie erlauben, wiederhole ich Ihnen jetzt die ereignisreichen Daten aus der Hippias-Zeit, diesmal allerdings mit kleinen Zusätzen, um zu untersuchen, wie das Volk tatsächlich zur Tyrannis stand und wie die Ereignisse in Wahrheit abliefen. Wir werden sehen, wie die Tyrannis von außen systematisch torpediert wurde.
528 wurde Kimon von unbekannten Tätern ermordet. In Athen hörte »man«, daß die Peisistratiden die Anstifter waren. Herodot berichtet allerdings, daß die Tyrannen die Tat stets weit von sich gewiesen haben. Nun, das kostet ein paar Worte, nicht mehr. Aber Herodot, der aufmerksame Historiker, fügt hinzu, daß das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Peisistratiden und den Kimoniden auch danach nie eine Trübung erfahren hat. Merkwürdig, nicht wahr? Kimon hat nachweislich seinen Sieg in Olympia auf den Namen des Tyrannen, honoris causa, ausrufen lassen. Eine freiwillige spontane Geste. Das deutet auf Freundschaft. Auch sind Hippias und Hipparch nach dem Sturz der Tyrannis von Kimons Familie selbst nie des Mordes beschuldigt worden.
Wer ist dann aber der »man«, der das Gerücht in Umlauf gesetzt hat? Der Mörder selbst? Jemand, der ein Interesse hatte, die Tyrannen in Schwierigkeiten zu bringen?
Hier muß ich Sie nun auf eine bescheidene Tatsache aufmerksam machen, die erstaunlicherweise immer verschwiegen wird: Die Alkmaioniden befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Athen! Hippias und Hipparch hatten aus Anlaß des Todes ihres Vaters die Rückkehr gestattet. Die Herren gingen jedoch — »wir kennen weder den Zeitpunkt noch den Grund« — wieder außer Landes. Interessant.
525, drei Jahre später, wurde Lygdamis, Tyrann von Naxos, gestürzt. Er wurde nachweislich nicht vom Volk, sondern von Sparta mit Gewalt beseitigt. Die Tyrannenfeindlichkeit Spartas war ohne Rücksicht auf die Güte einer Regierung »grundsätzlich« (Professor Cornelius).
523 stürzte Polykrates. Nicht durch das Volk, sondern abermals durch Einwirkung von außen. Die Perser lockten ihn nach Kleinasien und ermordeten ihn.
519 geschah etwas, was neu auf diese Liste gehört. Die kleine Stadt Platää, 20 Kilometer südlich von Theben, wünschte aus Abneigung gegen Theben dem Peloponnesischen Bunde Spartas beizutreten. Ein verlockendes Angebot für Sparta! Aber jetzt kommt die Überraschung: Sparta lehnte ab. Es empfahl, sich Athen anzuschließen. Hippias, Hipparch und der athenische Rat schlossen, von allen guten bismarcksdien Geistern verlassen, tatsächlich ein Bündnis mit Platää. Die Quittung erhielten sie stehenden Fußes. Theben kündigte Athen die Allianz und wurde sein heimlicher Feind. Die Rechnung Spartas war aufgegangen.
515 verloren die Peisistratiden die thrakischen Minen. Nicht durch die Thraker, sondern durch den persischen König Da-reios, der mit der Besetzung Thrakiens den Vorstoß gegen Griechenland begann.
Immer noch standen Hippias und Hipparch fest, »denn sie waren in ihrer Herrschaft über das Volk nie drückend, sondern übten sie auf tadellose Weise« (wörtlich Thukydides, achtzig Jahre später). Athen war in Ordnung, die Geschichte weiß von keiner Unzufriedenheit und keinem Gewaltakt, obwohl »die Tyrannen für jedermann leicht zugänglich waren« (Thukydides).
514 erfolgte nun aus heiterem Himmel das Attentat durch Harmodios und Aristogeiton in Athen!
Freunde! Wenn es jetzt keine Dolchstoßlegende gäbe — sie müßte geradezu erfunden werden! Es schreit danach.
Und es war ein Dolchstoß.
Harmodios und
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