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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Panathenaien-Feste. Die Athenaien waren bis dahin ein Sportfest mit Pferderennen der Adelsfamilien. Die kleine Vorsilbe Pan bedeutet »Ganz« oder »Gesamt«, das heißt, von nun an war ganz Athen aufgerufen. Das Volk wird gejubelt haben! Das verhaßte Privileg war gebrochen, die Athener strömten in die Bahn, nicht mehr allein auf die Tribünen, und der Anblick der Jugend des ganzen Volkes berauschte die Stadt. Auf der Empore waren die Preise aufgestellt, eintausend große Amphoren! Schon als Bild unbeschreiblich; als Staatsauftrag Zeichen höchsten Wohlstandes. Sechs Tage lang dauerte der Trubel der Festzüge und Wettkämpfe.
    Sie fanden alle vier Jahre zwischen den Olympiaden statt. Die Olympischen Spiele waren damals schon 200 Jahre alt und standen in voller Blüte. Ein olympischer Sieger war zwar ein Halbgott und ein Panathenaien-Sieger nur ein Mädchenschwarm, für uns aber überstrahlen sie Olympia, denn sie haben uns ein wunderbares Geschenk hinterlassen: Sie haben der Nachwelt Homer erhalten! Als in Olympia noch kein Dichter auftrat, wurden auf Befehl von Peisistratos während der Panathenaien die gesamte Ilias und Odyssee vom ersten bis zum letzten Wort dem Volke vorgetragen. Die vier Männer, die mit der endgültigen schriftlichen Aufzeichnung betraut waren, sind uns namentlich überliefert. Schon die griechischen Historiker wußten also, was diese Tat bedeutete, und kein Tyrannenhaß hat die Erinnerung daran tilgen können.
    Athen war erblüht.
    »... so daß man oft hören konnte, die Tyrannis des Peisistratos sei wie das Leben im Goldenen Zeitalter gewesen« — Aristoteles, 200 Jahre später.

    Peisistratos ist mit Cosimo dei Medici verglichen worden, mit Karl August von Weimar, mit den Gracchen, mit Perikles, mit Bismarck.
    Nur der Vergleich mit dem Medici stimmt. Zwei alte, weise gewordene Männer, aus dem Kampf um die Macht ohne Verbitterung herausgegangen, die Menschen lieben müssend und verachten wollend, in ihrer Vaterlandsliebe fast lästig, verständnislos gegen das Animalische, verstrickt in die schönen Ideen, selbstlos, mit vollen Händen gebend, zurückzuckend vor dem Plebs, skeptisch, milde, gut. Beide hielten die Macht fest in den Händen bis an ihr Ende. Beide starben friedlich. Beide hinterließen die Herrschaft zwei Söhnen. In beiden Fällen wurde der eine Sohn ermordet. Von einem Verhetzten, Verblendeten aus dem Volke. Beide wußten, das Volk ist keinen Schuß Pulver wert, aber herrlich.
    Und dieses »aber herrlich«, das ist’s!
    Alle Großen fallen darauf herein.



... ist beinahe eine kriminalistische Stuche. Sie zeigt, wie die politischen Ereignisse in der Gunst und Ungunst der Deutungen schwanken und wie der Haß verfälscht. Wer stürzte die athenische Tyrannis? Wer befreite wen? Wer ermordete wen? Haben Denkmäler immer recht ?

Peisistratos starb 528. In die Nachfolge — wobei man sich erinnern muß, daß es eine offizielle Stellung der Familie gar nicht gab — teilten sich gleichberechtigt seine Söhne, Hippias und Hipparch. Hippias wird als tatkräftiger, kühler, zurückhaltender Mann geschildert, Hipparch als ein weltaufgeschlossener, liebenswürdiger und künstlerisch-temperamentvoller Mensch.
    Ich müßte Sie jetzt, wollte ich Ihnen die Tyrannis der beiden Brüder schildern, mit einer Wiederholung langweilen, wäre nicht im gleichen Jahre noch etwas geschehen, was seltsamer ist, als es die Geschichtsschreibung allgemein wahrhaben will. Es passierte folgendes:
    Kimon, ein Athener aus altem Adel, Stiefbruder des auf dem Chersones regierenden Kolonisators Miltiades, hatte 536 das Wagenrennen in Olympia gewonnen. Peisistratos bereitete ihm einen großen Empfang. 532 siegten die Pferde Kimons zum zweitenmal. Peisistratos bereitete ihm einen noch größeren Empfang. 528 siegte Kimon zum drittenmal. Die Athener waren außer sich; sie gebärdeten sich, als hätten sie einen Halbgott zu empfangen. Peisistratos war tot; kein alter, würdiger Herrscher war da, dessen Umarmung immer noch die Ehrung durch einen Größeren bedeutete und die Dinge zurechtrückte. Die Söhne waren nicht der Vater, das zeigte sich deutlich. Hippias und Hipparch erlebten, daß sie in diesem Augenblick gegen Kimon nur Schatten waren. Von dieser Erfahrung, so sagen die Historiker, aufs höchste betroffen, faßten die Söhne »wohl aus staatsmännischer Vorsorge« einen Entschluß von ungewöhnlicher Grausamkeit: Sie ließen Kimon ermorden.
    Und damit setzt, wie Sie in allen Geschichtswerken unserer

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