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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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die erste große Wandlung nichts weiter war als ein Personal Wechsel, der Wechsel zu integeren Männern.
    Das Volk merkte zunächst von dem Tyrannen nicht viel. Ein altgewordener Mann saß auf der Burg, mit Frau und Kindern, umgeben von einem Wachbataillon, in der Stadt kaum in Erscheinung tretend. Die spätere Historie, geschrieben in einer Zeit, als das Wort Tyrannis schon mit dem Odium des Fluchwürdigen behaftet war, berichtet übereinstimmend von seiner Klugheit, seiner Bescheidenheit, seiner ungewöhnlichen Freundlichkeit und seiner Güte gegen alle, auch seine Feinde.
    Es gibt kein wesentliches Unrecht, keine besondere Gewalttat, keine Blutschuld in seinem Leben; man hat sie ihm nicht einmal angedichtet. Aber die auffallendsten Züge an ihm als Griechen sind seine Uneigennützigkeit und seine Sachlichkeit.
    Unter ihm wurde Athen Großmacht. Hätte er das nicht gewollt — es wäre einfach eine Begleiterscheinung seiner Regentschaft gewesen.
    Seine erste Sorge war die Gesundung der wirtschaftlichen Lage, die Entschuldung der Bauern, die Beschäftigung der Handwerker, die Verteilung von Land an die kleinen Leute, die Besteuerung des Großgrundbesitzes, der Export, der Geldumlauf. Alte Gedanken, alte Pläne; jetzt konnte er sie endlich vollenden. Ein selbstloser alter Mann, der nichts für sich oder sein Haus wollte, hatte die hartgesottenen, erbarmungslosen Klüngel abgelöst. Peisistratos war reich, und er scheint aus dem Ertrag seiner thrakischen Minen noch ungeheure Gelder in den Staat hineingepumpt zu haben. Das Volk hat sicher nichts davon gewußt. Wozu auch? Ich glaube nicht, daß Peisistratos sich falsche Vorstellungen vom Plebs gemacht hat.
    Als die wiedergenesenen Athener sich zu recken und zu strecken begannen, war die Zeit gekommen, ihnen das Fenster in die »große Welt« aufzustoßen. Athenische Schiffe begannen in bisher nicht gekanntem Maße das Meer zu bevölkern, Jahr für Jahr liefen zahllose neue Dieren vom Stapel und stachen unter vollen Segeln und mit rauschendem Ruderschlag in See, jedes ein Botschafter, alle in Richtung nach Norden oder zur kleinasiatischen Küste und den Inseln, zu den »Brüdern«, den anderen Ioniern. Das Band spannte sich, die Ionier sammelten sich. Miltiades, der Onkel des späteren Heerführers, kolonisierte den Hellespont. Damit war auch der Norden Kleinasiens in der Hand eines Atheners. Da sich alles im ionischen Raum abspielte, sah Sparta untätig zu. Am Chersones entstand eine Tyrannis, auf Naxos half Peisistratos nach, Si-geion folgte, und Delos stellte sein Apollon-Heiligtum unter den Schutz Athens. Peisistratos nahm es sofort an — nicht nur wegen Apoll; Delos besaß die größte Handelsmesse und regulierte die Versorgung der Kykladen-Inseln. Der Ring schloß sich, wie Peisistratos es sich vorgestellt hatte. Und da wir gerade von »Ring« sprechen: Polykrates, Schillers Polykrates, wurde an den sanften Drähten des Peisistratos in Samos auf den unsichtbaren Thron gehoben, in Samos, der großen, der beherrschenden Insel vor Milet; der stärksten Seemacht der kleinasiatischen Küste.

    Er stand auf seines Daches Zinnen,
    er schaute mit vergnügten Sinnen
    auf das beherrschte Samos hin.

    Schiller hätte auch dichten können: »Und schaute mit beherrschten Sinnen auf das vergnügte Samos hin«, Polykrates war nämlich ein guter, beliebter Herrscher und keineswegs der zu belächelnde Potztausend-Fürst, er war ein bedeutender Mann, der Schöpfer einer Flotte von hundert Fünfzigruderern, Herr der östlichen Ägäis, königlicher Kaufmann (und ein ganz klein bißchen Seeräuber), Begründer des Wohlstandes der Inseln, Besitzer unermeßlicher Reichtümer, die er dazu verwandte, den Hafendamm, den Tunnel der Wasserleitung, neue Wohnbezirke und Tempel zu bauen und Dichter und Denker nach Samos zu ziehen. Der große Lyriker Anakreon lebte dort wie ein Fürst neben dem Fürsten.
    Was Peisistratos langsam und zäh schuf, war der Friede. Er lag in der Schaffung eines »Supermarket«, nicht eines Reiches. Er lag in der Glaubwürdigkeit des athenischen Staatsmannes. Niemals hat Peisistratos versucht, einem seiner Bundesgenossen das System der Tyrannis mit Waffengewalt aufzuzwingen. Und niemals hat Peisistratos einen Schritt in die Einflußsphäre Spartas getan. Er ignorierte alle Fußangeln, die Sparta ihm legte. Es war eine bismarckisch anmutende Grundregel seiner Politik, um keinen Preis, auch um den verlockendsten nicht, die beiden entscheidenden Bundesgenossen Theben

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