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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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der Kampf sofort mit der Erbitterung von Sklaven geführt. Die Spartaner — Spartiaten wie Periöken — wußten, daß es um Tod und Leben ging. Ihre kleine Schar, zahlenmäßig den Messeniern weit unterlegen, rückte aus, von den Knaben bis zu den Greisen, in schrecklicher Entschlossenheit, zu sterben oder zu siegen. Unter ihnen der Dichter Tyrtaios, dessen wilde, heroische Lieder auf uns überkommen sind. Er war der geistige Führer der Spartaner, er war ihre Fahne, ihre Standarte, ihr Schwur.

    Wenn wir fallen sollen,
    laßt euch, meine Jünglinge,
    nicht in der Reihe nach den Alten
    liegend finden —
    bewahrt uns vor dieser Schande.
    Die erste Reihe soll die strahlendsten Glieder sehen.
    Beißt die Lippen zusammen,
    stemmt den Fuß in die Erde,
    und keine Gnade!

    Schritt für Schritt kämpften sich die Spartaner in Messenien vor. Als die Schlacht am »Großen Graben« geschlagen war, zogen sich die Messenier in die nördlichen Berge nach Hira zurück. »Keine Gnade«, sang Tyrtaios. Auf beiden Seiten wurde mit dem Mut der Verzweiflung gekämpft. Hira fiel. Damit war das Schicksal der Aufständischen besiegelt. Wer nicht gefallen war, erlebte jetzt erst, was »Sklave sein« hieß. Argos, Arkadien und Pisatis kapitulierten.
    Die Festung Peloponnes gehörte wieder Sparta.
    Die Spartaner haben diesen Schreck, am Rande der eigenen Versklavung gestanden zu haben, nie überwunden. Er hat aus ihnen Berufssoldaten gemacht. So vollendete Berufssoldaten, daß Xenophon schrieb, der Unterschied zu den anderen Griechen sei wie der von Artisten zu Dilettanten.
    Nun ist das Wort Berufssoldat aber etwas irreführend, denn sie standen nicht im Staatssold. Vielleicht hätte ich sagen sollen: Ordensritter.
    Der Orden, das heißt der Staat, entschied schon bei der Geburt eines spartanischen Kindes, ob es am Leben bleiben oder ausgesetzt werden sollte. In Preußen hätte man die bläßlichen Exemplare wenigstens Dichter und Denker werden lassen. Sparta aber sah in kränklichen Kindern eine Gefahr für das Spartiatentum, für das Gefüge, den Bau, die Konstruktion. Die Spartaner haben für diesen Staatsbegriff einen Ausdruck gehabt, den wir heute noch kennen: Kosmos. Ein schönes Wort, aber ein schreckliches Wort, wenn man es so anwendet, wie sie es getan haben. Auf diesem Altar hat Sparta für sich eine der schönsten, leuchtendsten Blüten des Griechentums geopfert: den Individualismus.
    Sie waren reine Außenseiter, wenn man die anderen zum Maßstab nimmt. Die alten Geschichtsschreiber allerdings nennen sie die »reinsten« Griechen.
    Mit sieben Jahren wurden die Knaben dem Elternhaus weggenommen; sie wurden Kadetten. Sie lebten nun in großen »Horden« zusammen. Die Kindheit war vorüber, die harte Erziehung begann. In den kleinen Köpfen sollten schon alle Gedanken um Pflicht, Gehorsam und Ehre kreisen. Führer waren ältere Knaben und, wenn sie mit vierzehn Jahren selbst »Jungspartiaten« geworden waren, erwachsene Krieger und Lehrer der Dichtung, Musik und Mythologie. Mit zwanzig Jahren war ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie waren Männer.
    Das waren sie sicher. Erstaunlicherweise waren sie aber auch Menschen geblieben. Sie haben (wenigstens damals noch) Dichter, Sänger, Bildhauer und Baumeister hervorgebracht; die dorischen Tempel und ihre Säulen zeugen von dem herrlichen Maß ihrer Augen, der erhabene Apollon-Thron von Amyklai für die Demut ihrer Herzen; viele kleine Züge zeugen von liebenswerten menschlichen Schwächen, sie liebten wie alle Griechen Farben und schöne Kleidung, aber ebenso gern gingen sie in betont zerschlissener Feldkleidung herum — die fixe Idee aller »alten Kämpfer« in der Welt.
    Rührend war ihr Verhältnis zu den Eltern, vor allem zur Mutter; ganz ungriechisch. Und rührend ihre Ehrfurcht vor dem Alter. Allerdings liefen spartanische Greise auch nicht ewig jammernd und klagend herum wie die athenischen, die sich in der Rolle von alten Katern gefielen.
    Mit dreißig Jahren trat im Leben des Mannes ein Wandel ein: er durfte jetzt zu Hause wohnen! Das ist fürwahr eine Großzügigkeit, die an den Alten Fritz erinnert.
    Dreißig Jahre waren also, so kann man schließen, das Alter, in dem die Spartiaten zu heiraten pflegten. Sie scheinen es nicht gern getan zu haben, obwohl die spartanischen Mädchen schön waren. Manche behaupten, sie seien sehr schön gewesen, aber ich habe die Ahnung, daß es lauter Fünfkampfmeisterinnen waren. Sie werden gewesen sein, was man »prachtvoll« nennt. Für

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