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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Marathon gesiegt hatte, eisig.
    Aristides konnte und wollte wahrscheinlich die Empörung nicht auffangen. Da er »der Gerechte« war, leitete er eine Untersuchung ein, die dann nicht mehr in seinen Händen lag. Das Volk war der Richter. Es steckte Miltiades, unbeschadet seiner Verwundung, zunächst einmal ins Gefängnis, dann stellte es ihn vor Gericht und verurteilte ihn — das war trotz der enorm hohen Summe wiederum milde — zu einer Strafe von 50 Talenten. 50 Talente waren nach heutiger Kaufkraft vielleicht 50 Millionen Mark. Die »Milde« entsprang ihrem schlechten Gewissen, die Höhe der (unerfüllbaren) Summe ihrer Habgier. Daran ist leider nicht zu zweifeln.
    Aus diesem Dilemma hätte es nie einen Ausweg gegeben, wenn die Götter nicht eingegriffen hätten. Sie beriefen Miltiades zu sich. Er, der große fürstliche Mann, starb an seiner Verwundung im Gefängnis.
    Athen bewahrte ihm stets ein bewunderndes Angedenken. Denn was war die Expechtion nach Paros? Ein Schritt, ein Einfall, ein — eine Verleumdung der Spartaner.



... spielt im Winter 481/80 in Korinth. Das hat seinen guten Grund. In Korinth tagt gerade eine Konferenz führender griechischer Staatsmänner und Generäle; sechs Monate lang. Der Anlaß ist ernst, todernst. Wir aber, die wir eine so große Übung im Ignorieren von todernsten Lagen haben, wollen nicht versäumen, Korinth zu genießen, denn Korinth ist eine entzückende Stadt.

Die Welt gefiel den Griechen, aber sie gefiel ihnen auf verschiedene Weise. Den Bewohnern der Insel Ägina, 25 Kilometer von Athen entfernt, gefiel es zum Beispiel um diese Zeit, die athenischen Getreideschiffe zu kapern. Die Äginaten waren die anerkannt besten Seeleute und hatten an diesem Sport viel Freude. Die Spartaner wiederum, immer fleißig im Manöver, aber sonst ereignislos, verfolgten die Spiele der Äginaten mit jenem Frohsinn, den die Schadenfreude verleiht. Ägina gehörte zum Peloponnesischen Bunde, obwohl es so nahe bei Attika lag, daß man vom Strande aus die athenische Akropolis in der Ferne sehen konnte. Aber die Stadt Ägina lag hinter der Felsenspitze und blickte in Richtung des fernen, unsichtbaren Sparta. Als die reisefröhlichen Äginaten nun auch noch die attische Küste zum Ziel nahmen und dort ein- und ausstiegen, wie sie Lust hatten, unter Mitnahme aller Dinge, die ihnen als Souvenirs gefielen, da machten die Athener doch endlich ihre zwanzig Kriegsschiffe flott und riskierten den Einbruch in den Peloponnesischen Bund. Aber sie hatten Ägina unterschätzt. Das Unternehmen war viel zu klein angelegt. Kurzum, es wurde ein neues Paros. Ganz Griechenland freute sich der abwechslungsreichen Nachrichten, und nur der Vatikan, die delphische Priesterschaft, grollte über den Fehlschlag, denn die Urheber der Expechtion waren die mit bekannter Freiheitlichkeit und geistiger Beweglichkeit ausgestatteten Alkmaioniden.
    Die Athener, in Gedanken bitter zu diesem Undank der Welt nickend, zogen daraus die außerordentliche Lehre, bei sich selbst einmal gründlich Inventur zu machen. 487 verbannten sie durch Ostrakismós ihren früheren Archon Hipparch, Namensvetter des Peisistratiden, 486 ihren Archon Megakies aus dem Hause der Alkmaioniden, 484 dessen Schwager Xan-thippos, der die Anklage gegen Miltiades geführt hatte, und 482 endlich den letzten der alten Garde: Aristides den Gerechten. Ihm und allen Athenern war klar, daß das ein schlechter Dank war. Aber er sah ein, daß er »alter Kurs« war, und wich ohne Groll und wortlos dem neuen Manne, gegen dessen Pläne vor dem Einfall der Perser sich schon Miltiades gewehrt hatte und gegen dessen Ideen er selbst sich unbeirrt weiter wehren würde. Aristides ging nach Ägina — nach Ägina, von wo aus man in der Ferne die Akropolis schimmern sah. Er hat später einmal erzählt, was er bei seinem Ostrakismós erlebte: Er stand, als über ihn abgestimmt wurde, mitten unter dem Volke auf der Agora. Ein Mann neben ihm, ein Arbeiter oder Bauer, der nicht lesen und schreiben konnte, reichte ihm seine Scherbe hin und bat ihn, den Namen Aristides darauf zu schreiben. Aristides sah den Mann prüfend an und fragte ihn, ob Aristides ihm etwas zuleide getan habe. »Gar nichts«, antwortete der Mensch, »ich kenne den Herrn nicht einmal, aber es ärgert mich, wenn ich ihn überall >den Gerechten< nennen höre.«
    Der neue Mann, auf den Athen alle Hoffnungen setzte, hieß Themistokles.
    Themistokles, damals 45 Jahre alt, angesehen, aus alter Familie, war ein Mann von

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