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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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gneisenauschem Geiste, klar bis zur Kälte, nüchtern bis zur Ungemütlichkeit — kein angenehmer Mann für Athen. Aber es war Frühjahr 481 geworden, jenes Frühjahr, in dem wieder Alarmnachrichten aus Persien kamen, diesmal erschreckende Nachrichten. Marathon, das plötzlich klein und bescheiden aussah, würde sich nicht wiederholen, das ahnte man; dann durfte sich auch ein Miltiades oder Aristides nicht wiederholen. Es bedurfte eines Größeren. Man hoffte, daß es Themistokles sei.
    Sein Programm war derartig radikal, daß zunächst einmal alles aufschrie. Er schien Athen vollständig auf Seemacht Umrüsten zu wollen. Er verlangte den sofortigen Ausbau des Piräus als großen Kriegshafen und die Anlage von Docks. Er verlangte ferner den sofortigen Baubeginn einer Riesenflotte. Er sah 200 schwere Schlachtschiffe vor! Sie sollten innerhalb von zwei Jahren vom Stapel laufen! Das gesamte Staatsvermögen sollte geopfert und die neue Silbermine von Laureion bis auf das letzte Korn ausgeschürft werden. Da es klar war, daß die Summe dennoch nicht für diesen Kraftakt reichen würde, hatte jeder wohlhabende Bürger die Patenschaft für ein Kriegsschiff zu übernehmen und dessen Ausrüstung privat zu bezahlen! Die attische Bevölkerung, soweit sie nicht im Heer diente, hatte sich als Ruderer und Seesoldaten bereit zu halten. Dieser letzte Punkt bedeutete die Wehrhafterklärung des »vierten Standes«, der »Theten«. Sie waren die Lohnarbeiter, im Kriege nur Troßknechte und Knappen. Jetzt in der Not schien sich ihr Traum zu verwirklichen, endlich Vollbürger mit allen Rechten zu werden. Es war vorauszusehen, daß es innerpolitisch eine Umwälzung geben würde, denn die Zahl der Theten war fünfstellig!
    Den Athenern schwindelte. Aber Themistokles führte ihnen die Boten vor, die aus Kleinasien gekommen waren: Sie berichteten, daß Xerxes, nach dem Tode seines Vaters jetzt Großkönig von Persien, das Reichsheer aufgerufen habe. Die Boten kannten die Pläne, Daten und Zahlen, die Berichte stimmten überein: Bereitstellung des Heeres im Herbst 481, Zahl 100 000, Ort die Kastolosebene in Kleinasien, Übertritt nach Europa auf zwei Schiffsbrücken über den Bosporus, Marsch der Heeressäule auf dem Landweg, Geleit durch die Flotte entlang der Küste, Zahl der Kriegsschiffe 700. Diese Ziffern waren furchterregend. Das war die Rüstung für einen Vernichtungszug !
    Jedoch, es trat ein Ereignis ein, das niemand erwartet hatte: In ganz Griechenland erschienen Abgeordnete des Perserkönigs, um an die Städte die Frage zu richten, ob sie sich freiwillig unterwerfen wollten.

    Das, meine Freunde, ist ein Augenblick, da die Götter selbst den Atem anhalten. Hier tippt das Schicksal uns auf die Schulter und fragt uns, worin wir den Sinn des Lebens sehen. Der Gedanken lange Kette marschiert auf. Zuerst kommen unsere alten Bekannten unter den Gedanken, aber dann kommen die anderen, die wir noch nie ganz durchdacht haben, es ist, als ob sie sich an den Händen gefaßt hielten und einer den anderen nachzöge — eine Kette ohne Ende. Da ist der Gedanke, daß wir nur einmal leben, da ist der Gedanke, daß Leben Kampf ist, da sind sie alle wieder: der Gedanke an unsere Kinder, der Gedanke an die Freiheit und der an die Schlauheit, an das »Krieg ist der Vater aller Dinge« und an das »Das Weiche ist das Härtere«, an die Vergangenheit und an die Zukunft, an das »Niemals« und an das »Warum«, an das egoistische Ich und an das aufopfernde Wir, an das In-Schönheit-Leben und das In-Schönheit-Sterben, an den Sinn der Tat und den Sinn der Unterlassung, an das Aufbäumen und an das Ducken, an die Fragwürdigkeit der Schande und an die Kraft der Ehre, an die Schrecken der Entscheidung und an die Erhabenheit einer Entscheidung, an den heiligen Zorn und an das heilige Leben. Kein Ende; hinter den letzten Gedanken kommen die ersten wieder herauf. Ein Kreis.
    Die Kunst, meine Freunde, besteht darin, an irgendeinem Punkt die Kette mit einem Gefühl zu durchhauen. Mit einem Gefühl, das stärker ist denn alle Vernunft. Wenn wir es nicht mehr haben, werden wir verdammt sein in alle Ewigkeit.

    *

    Ich will Ihnen nun das Fazit mitteilen, das die persischen Gesandten zu hören bekamen. Von Norden nach Süden: Thessalien unterwarf sich,
    Epirus unterwarf sich,
    Ätolien unterwarf sich,
    Phthiotis unterwarf sich,
    Lokris unterwarf sich,
    Phokis lehnte ab,
    Nord-Euböa unterwarf sich,
    Süd-Euböa lehnte ab,
    Theben unterwarf sich,
    Thespiai lehnte

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