Rosen für Apoll
Patrizier, die fremden Handelsherren, Kapitäne, Diplomaten, Feldherren und Dichter finden konnte. Gegen Abend wogte der Korso die Straßen in Richtung des Hafens hinunter, zum »Sankt Pauli« Korinths, wo die Stimmung immer fröhlicher wurde, wo Musik aus den Häusern klang und ein leichter Duft von Parfüms und Salben über dem Geruch des nahen Meeres und des Schiffspechs lag. Fast alle Türen standen offen, das Lachen der Knaben und jungen Mädchen drang heraus, straßauf, straßab, eine Siegesallee Aphrodites. »Nicht jedem Manne bekommt die Fahrt nach Korinth«, war ein geflügeltes Wort; es erinnert daran, wieviel Geld man hier ließ. In keiner anderen Stadt Griechenlands drehte sich das Karussell der Liebe so unermüdlich wie in Korinth. Die Fischer schickten ihre braungebrannten, aalglatten Knaben (»Salbe dich vorher mit Öl«) zum Karussellfahren in die Stadt, und die armen Bauern des Isthmos brachten ihre pausbäckigen Töchterchen, damit sie sich hier in einem Sommer die Aussteuer verdienten. Es waren die vielbesungenen »Schwälbchen«, »Fröschchen«, »Schwesterchen«, wie sie später, als Akrokorinth ein Ausflugsziel wurde, den Aphrodite-Tempel dort oben zu Hunderten bevölkerten. In diesem Winter, 481 auf 480, als die vielen hohen Kriegsherren und Gesandten zur Beratung in die Stadt gekommen waren, zogen sie zum erstenmal alle gemeinsam in einer Prozession zum Heiligtum der Aphrodite, um von der Göttin Errettung aus der Gefahr zu erflehen. Es war ein langer Zug, ein Zug mit lauterem Sonntagsgefühl; reiche Bürger gelobten der Göttin, ihrem Tempel künftig Hetären zu stiften und ihn fleißig zu besuchen, und der Dichter Simonides besang dies alles.
Die Bevollmächtigten der Städte blieben während des ganzen Winters in Korinth. Von dem Ernst der Lage und von der Entschlossenheit, alle Kräfte zu mobilisieren, zeugen die Beschlüsse, die gefaßt wurden. Manches klingt einfach, wird aber doch viel Einsicht gekostet haben. Man darf nicht vergessen, daß sich hier auch zum erstenmal seit dem Athenisch-Äginatischen Krieg die beiden Gesandten Athens und Äginas gegenüberstanden. Das sind Momente, wo der eine das Lächeln verbergen soll, das der andere doch überall zu sehen glaubt. Viele »Feinde« begegneten sich hier und sollten Freunde werden. Infolgedessen war der erste Schritt die Verkündigung eines sofortigen Landfriedens. Alle Fehden hatten aufzuhören, alle Streitigkeiten zu ruhen. Man griff sogar so weit in die Verfassungen und Staatsgesetze ein, daß man den Städten zur Pflicht machte, alle politischen Verbannten wieder in die Heimat zu rufen. Der so erzwungene innenpolitische Burgfriede sollte die Kräfte auf die Kriegsvorbereitung umlenken. Dann beschloß man, das Vermögen aller, die mit den Persern gemeinsame Sache machen würden, zu dezimieren und dem delphischen Apoll zu weihen, wenn der Gott den Griechen den Sieg geschenkt haben würde.
Dieses »würde« und »wenn« lag wie ein düsterer Schatten über jedem Gedanken. Mit tiefem Ernst und fester Todesentschlossenheit traten die Bevollmächtigten schließlich zusammen, um den Bund und die Treue zu beschwören. Der Eindruck bei den anderen Griechen war sicher ganz außerordentlich.
Um diese Zeit etwa müssen die beiden jungen Spartiaten von Xerxes zurückgekehrt sein, von denen Herodot folgende Geschichte erzählt: Sparta hatte sich vor längerer Zeit an persischen Unterhändlern vergriffen und sie einen Kopf kürzer gemacht. Bald zeigte sich, daß der Himmel schwer zürnte; die Horoskope verdunkelten sich zusehends, die spartanischen Priester beschworen vergeblich die Götter. In die Ratio übersetzt heißt das: Die Priester, weitblickend und um vieles leidenschaftsloser als die Generäle, fanden den Vorfall mit den Unterhändlern verhängnisvoll für das Rechtsempfinden und die Rechtssicherheit ganz Griechenlands und waren entschlossen, so lange Druck auszuüben, bis das Unrecht durch eine Sühne für die Augen der Welt gebüßt war. Die Spartaner reagierten nun auf eine geradezu unwahrscheinliche, ja einfach größenwahnsinnige Weise. Ihr Gedankengang war etwa: Haben wir euch ein Leben genommen — bitte sehr, ihr könnt eines von uns haben, auch zwei; dazu bedarf es bei uns nur eines einmaligen Aufrufs.
Man rief, und wirklich meldeten sich mehrere Freiwillige, aus denen man zwei junge Offiziere aussuchte und, wie selbst Herodot mit etwas Gruseln sagt, »nach Persien in den Tod schickte«.
Sie kamen zu Xerxes und erklärten
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